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14. Dez 2020

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Gesellschaft

„Der Wille, das Ruder herumzureißen, fehlt.“

Journalist: Chan Sidki-Lundius

Bernhard Reiling, Präsident des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., im Interview über aktuelle Entwicklungen der Verpackungsindustrie. 

Bernhard Reiling, Präsident des bvse – Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., Foto: Presse

Wo stehen die Kreislaufwirtschaft und das Verpackungsrecycling in Deutsch-land?

Die Recycling- und Entsorgungsbranche erzielt einen Umsatz von rund 85 Milliarden Euro und beschäftigt mehr als 310.000 Menschen. Gegenüber 2010 hat sich der Umsatz um 18 % erhöht. Das zeigt, dass wir eine dynamische Zukunftsbranche und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sind. Doch die hiesige Kreislaufwirtschaft steckt noch in den Kinderschuhen. Das gilt auch und gerade für den Bereich des Recyclings von Verpackungen. Da bleibt viel zu tun.

Da schwingt Skepsis mit.

Nein, ich bin optimistisch, dass wir deutliche Fortschritte machen können. Das Papier-, Glas- und Metallrecycling kann als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Allerdings bin ich mit dem Status quo im Kunststoffbereich alles andere als zufrieden. Der Recyclatanteil beträgt an der verarbeiteten Kunststoffmenge in Deutschland rund 12 %. Diese Recyclate stammen aber nur zu 40 % aus Abfällen, die von privaten Haushalten gesammelt wurden. Da kann man sich als Bürger schon fragen, warum der ganze Sammelaufwand betrieben wird. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin dafür, dass wir ordentlich sammeln. Aber am Ende des Tages sammeln wir für das Recycling und dieses Ziel scheint nicht jedem bewusst zu sein. Wir brauchen die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger für eine qualitativ gute Sammlung. Das gelingt aber nur, wenn das Material tatsächlich ins Recycling und nicht in die Verbrennung geht.

Wie kann das erreicht werden?

Ziel muss sein, von der Produktidee, dem Produktdesign, der Produktion und der Verwendung bis zur Entsorgung dafür zu sorgen, dass die im Produkt verwendeten Materialien nicht verlorengehen, sondern immer wieder genutzt werden. Momentan greifen die Zahnräder zu wenig ineinander. 

Wo liegen die Probleme?

Zum Beispiel in der Verwendung von Kunststoff-Papier-Kombinationen. Die werden verbrannt oder besser gesagt thermisch verwertet, weil Sortieranlagen sie nicht zuordnen können. Gleiches gilt für die Verwendung von dunklen oder schwarzen und metallisierten Verpackungen. Hier sieht man: Kreislaufwirtschaft funktioniert nur, wenn das Thema „Design for Recycling“ ernst genommen wird. Wenn wir nicht dafür sorgen, dass sich der Input für unsere Recyclinganlagen qualitativ verbessert, werden wir die Recyclingquoten nicht erreichen. Der bvse fordert deshalb, dass nur Verpackungen auf den Markt gebracht werden dürfen, die mit vertretbarem Aufwand auch recycelt werden können.

Gibt es weitere, neu zu justierende Stellschrauben?

Vor allem müssen Recyclate und Recyclingprodukte eingesetzt und nach-gefragt werden. Was nützt das Recycling, wenn die Recyclingprodukte nicht eingesetzt werden? 

Aber ist hier nicht schon viel bewegt worden? 

Es gibt zumindest jede Menge Absichtserklärungen. Die Praxis sieht aber anders aus. Speziell im Bereich der Kunststoffverpackungen hat sich praktisch nichts getan. Für 2020 rechnen wir sogar damit, dass der Recyclatanteil zurückgeht, weil vermehrt preiswerte Neuware eingesetzt wird. Es fehlt nach wie vor der Wille, das Ruder herumzureißen.

Was kann die öffentliche Hand tun, um die Verwendung von Recyclingprodukten selbstverständlich zu machen?

Mit gutem Beispiel vorangehen! Das Umweltgutachten des Sachverständigenrats geht von einem direkten Beschaffungsvolumen von jährlich 122,5 Milliarden Euro von Bund, Ländern und Kommunen aus. Wenn dieses Beschaffungsvolumen konsequent auf Nachhaltigkeit getrimmt wird, dann wären wir der Kreislaufwirtschaft in Deutschland einen großen Schritt näher!

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.