27. Nov 2025
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Gesellschaft
Journalist: Hauke Brost
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Foto: Liana Mikah/unsplash
Forschende haben ausgerechnet, dass der weltweite Verzicht auf tierische Produkte den Klimawandel weitgehend stoppen würde. Aber bis dahin ist der Weg noch weit.
Es klingt wie eine verrückte Utopie, wird aber immer häufiger von Wissenschaftlern ins Gespräch gebracht: Was wäre, wenn die Landwirtschaft komplett auf Tierhaltung verzichtet und alle Fleischprodukte durch pflanzliche Alternativen ersetzt? Wenn es also überhaupt keine Tiere mehr gäbe, die zum Zweck des menschlichen Verzehrs gezüchtet werden: Keine Rinder mehr, keine Schweine, keine Hühner?
Tatsache ist, dass die Nutztierhaltung weltweit mitverantwortlich für den Klimawandel ist: Derzeit verursacht sie etwa 15 Prozent der globalen menschengemachten Treibhausemissionen, berichtet das angesehene Magazin „National Geographic“. Kein Wunder also, dass in immer mehr Modellen einer klimafreundlichen Zukunft auch das Thema „Totaler Tierverzicht“ auftaucht. Sogar das Umweltbundesamt deutet in einem Papier an, dass „intensive Nutztierhaltung und hoher Konsum tierischer Lebensmittel (...) mit negativen Auswirkungen auf Umwelt und Klima verbunden“ sei. In Deutschland verursacht die Landwirtschaft jährlich ca. 55 Millionen Tonnen CO2, was in etwa 8,2 Prozent der gesamten Treibhausemissionen entspricht.
Dass Methan aus der Verdauung von Wiederkäuern klimaschädlich ist, wird längst auch von leidenschaftlichen Fleischessern und den Verbänden der landwirtschaftlichen Berufe anerkannt. Umweltschützer weisen aber darüber hinaus auch auf andere schädliche Folgen der Nutztierhaltung hin. So entsteht beim Aufbringen von Gülle und Düngung Lachgas, das 265 mal so klimaschädlich wie CO2 ist.
Um eine Kilokalorie Fleisch zu erzeugen, seien 25 Kilokalorien allein für Tierfutter notwendig, berichtet „National Geographic“.
Hinzu kommt, dass bei der Nutztierhaltung extrem viel Energie verloren geht, weil das Tier ja erst einmal aufgezogen werden muss, bevor man es schlachten kann. Experten haben ausgerechnet, dass bei der Fleischproduktion 80-90 Prozent der ursprünglichen Energie verloren gehen, weil das Tier frisst, verdaut, gepflegt und gewärmt werden muss. Besonders unwirtschaftlich sei die Produktion von Rindfleisch: Um eine Kilokalorie Fleisch zu erzeugen, seien 25 Kilokalorien allein für Tierfutter notwendig, berichtet „National Geographic“. Ähnlich alarmierend hoch sind die Forschungsergebnisse beim Wasserverbrauch: Um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren, werden bis zu 15.000 Liter Wasser benötigt; pflanzliche Lebensmittel kommen mit einem Bruchteil davon aus (Linsen z. B. mit ca. 2.500 l/kg). Eine US-Studie hat die Klimaschädlichkeit durch tierische Ernährung global hochgerechnet und kam sogar zu dem Ergebnis, dass ein Komplettverzicht in den nächsten 15 Jahren die CO2-Emissionen um 68 Prozent reduzieren würde.
Befürworter des „phaseout“ genannten phasenweisen Totalausstiegs verweisen auch auf den immensen Landgewinn („Renaturisierung“): Wo weder Weideland noch Flächen für Futteranbau benötigt werden, könnten Wildblumen wachsen oder Wälder angepflanzt werden; allein in Deutschland wären das fast fünf Millionen Hektar. Gemeinsam haben die Studien, dass sie einen kompletten radikalen Ernährungswechsel für ausgeschlossen halten; vielmehr geht es um eine langsame Umgewöhnung und Neuorientierung der Verbraucher. Dafür, so die übereinstimmende Meinung, sei umfassende Aufklärung, eine Reform der Subventionen und der entsprechende politische Wille erforderlich.
Heute ist Nutztierhaltung das zentrale Standbein der deutschen Landwirtschaft: Hier leben über 10 Millionen Rinder, 21 Millionen Schweine und 167 Millionen Hühner, Enten, Puten, Gänse. Und: Beim Discounter und im Supermarkt greifen immer noch 89 Prozent der Kunden zu den Haltungsformen 1 und 2. Und das sind Produkte aus der Massentierhaltung.#
Wo weder Weideland noch Flächen für Futteranbau benötigt werden, könnten Wildblumen wachsen oder Wälder angepflanzt werden; allein in Deutschland wären das fast fünf Millionen Hektar.
Immer mehr Studien befassen sich mit den positiven Auswirkungen des Totalverzichts auf tierische Produkte, so z. B. „Rapid global phaseout of animal agriculture“ mit dem Ergebnis, dass dadurch 68 Prozent der heutigen CO2-Äquivalente eingespart würden. Allerdings müssten eventuelle Mangelerscheinungen dann durch spezielle Ernährungsergänzungsmittel ausgeglichen werden.