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7. Okt 2020

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Wirtschaft

Deutschland muss mehr Dampf beim Wind machen

Journalist: Armin Fuhrer

„Die Speichertechniken für regenerative Energien liegen marktreif vor, aber die Bundesregierung behindert die Energiewende“, sagt Experte Urban Windelen.

Urban Windelen, Geschäftsführer des Bundesverbandes Energiespeicher, Foto: Presse

Alle reden über die Energiewende – wie wichtig ist da eigentlich die Frage, wie regenerative Energien gespeichert werden?

Das ist eine elementare Frage, denn erneuerbare Energien haben leider ein Grundproblem: Sie sind volatil. Das heißt, nachts gibt es keine Sonne, und wenn Flaute ist, keinen Wind. Wenn wir in der Flaute und in der Nacht Energie haben wollen, dann müssen wir sie also speichern. Ein noch so langes Kabel kann den Speicher nicht ersetzen, wenn die Energiewende erfolgreich fortgeführt werden soll.

Welche wichtigen Technologien sind inzwischen auf dem Markt?

Es gibt drei Grundrichtungen: Erstens die Stromspeicher. Hierzu zählen die elektrochemischen Speicher – das ist jede Form der Batterie, sowie die elektrischen Speicher, wofür Superkondensatoren als gutes Beispiel Anführer sind, und die mechanische Speicherung. Darunter verstehen wir Technologien wie Schwungradspeicher oder Pumpspeicher – die in Deutschland am weitesten verbreitete Speichertechnologie. Zweitens gibt es chemische Speicher, also in erster Linie die Herstellung und Verwendung von Wasserstoff. Drittens die Speicherung von Wärme und Kälte, die thermische Energie. Wir haben alle diese Technologien vom Sekunden- bis zum Langzeitspeicher weitgehend ausentwickelt und sie sind marktreif einsetzbar. 

Warum werden sie dann noch nicht flächendeckend genutzt?

Das liegt an der Politik und den derzeitigen Rahmenbedingungen. 

Wieso?

Ein Energiespeicher gilt in Deutschland derzeit noch als sogenannter Letztverbraucher. Das heißt, dass jede Kilowattstunde Strom, die gespeichert wird, als verbraucht gilt. Und wenn man sie später wieder ausspeichert, gilt sie als eine neu erzeugte Kilowattstunde. Das Problem: Beide Male werden Steuern und Abgaben fällig. Wir haben also eine doppelte Belastung von ein- und derselben kWh. Dadurch wird das Ganze entsprechend unwirtschaftlich, also teuer. Die Folge ist, dass der Verbraucher lieber Kohlestrom aus dem Netz be-zieht. Der ist zwar umweltschädlich, aber billiger, weil man nicht doppelt Steuern und Abgaben dafür zahlt.

Also verhindert die Politik durch ihre Steuer- und Abgabenpolitik an einer entscheidenden Stelle die Energiewende?

Genauso ist es. Die Regulatorik ist eben immer noch auf das frühere Energiesystem ausgerichtet, das den Strom aus großen Kraftwerken über viele Kabel zum Endverbraucher verteilt. In der Energiewende sieht das System aber völlig anders aus, mit vielen dezentralen Anlagen, zum Beispiel auf den Dächern von Privathäusern. Wir haben in Deutschland mittlerweile fast zwei Millionen Hausdachanlagen. Dazu gehören auch immer mehr Industrieunternehmen. Wir erleben gerade eine völlige Umstellung des Systems. Und diesem Wandel müsste sich auch die Regulatorik anpassen. Das Ärgerliche ist, dass wir in Deutschland weltweit bei der Entwicklung der Speicher technisch führend sind, aber unsere Kenntnisse und Fähigkeiten nicht nutzen.

Gefragt ist also die Politik?

Ja. Das ist ähnlich wie beim Steuersystem. Es werden immer mehr Ausnahmen erfunden, bis am Ende niemand mehr einen Überblick hat. Was wir bräuchten, wäre eine grundlegende Neuorganisation des Energiesystems. Ich hoffe, dass die Bundesregierung nun rasch die europarechtlichen Vorgaben in das neue EEG auf-nimmt. Damit wäre bereits viel für den Einsatz von Energiespeichern gewonnen und die notwendige Neuausrichtung des Energierechts angestoßen. Diese Vorgaben der EU sind übrigens verpflichtend bis Ende des Jahres umzusetzen. Also drängt die Zeit.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.