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6. Sep 2024

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Business

Deutschlands Mittagspause – ein Reformfall

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Pixabay

Die Mittagspause wird in Europa unterschiedlich gestaltet – von kurzer Funktionalität in Deutschland bis hin zu ausgedehnten Pausen in Frankreich. Eine aktuelle Studie zeigt, dass auch in Deutschland das Mittagessen am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle spielt, doch es bedarf Reformen bei den Verpflegungszuschüssen.

Die Gestaltung der Mittagspause variiert in Europa von Land zu Land stark, geprägt von kulturellen Unterschieden und rechtlichen Rahmenbedingungen. In Deutschland ist die Mittagspause oft kurz und funktional. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) betont, dass die meisten Arbeitnehmenden nur eine halbe Stunde für ihre Mittagspause haben. Viele nutzen diese Zeit, um schnell eine Mahlzeit am Arbeitsplatz oder in nahegelegenen Kantinen zu sich zu nehmen. Dies entspricht auch den rechtlichen Vorgaben, nach denen eine Pause von 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden vorgeschrieben ist.

Trotzdem messen Beschäftigte dem Mittagessen an Arbeitstagen mehrheitlich eine große Bedeutung bei. Auch die Unternehmen legen zumeist großen Wert darauf, dass ihre Mitarbeitenden eine richtige Mittagspause machen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Prognos. Über die Hälfte (59 Prozent) der Beschäftigten in Deutschland verpflegt sich in den Mittagspausen an Arbeitstagen häufig mit mitgebrachtem Essen von zuhause. Supermärkte werden von drei von zehn (28 Prozent) mindestens manchmal zu diesem Zweck besucht. Ein Fünftel (18 Prozent) der Beschäftigten nutzt häufig eine Kantine oder eine Cafeteria. Für ein Mittagessen im Restaurant geben die Beschäftigten durchschnittlich 14 Euro aus. Essen aus dem Supermarkt ist mit durchschnittlich 5 Euro deutlich günstiger.

Daten belegen, dass Essensgutscheine die Gastronomie stark stützen.

Essensgutscheine sind ein vielversprechendes Instrument zur Unterstützung der Mittagsverpflegung. Allerdings spielen sie bislang nur eine untergeordnete Rolle. Und das, obwohl Unternehmen und Beschäftigte in Deutschland die Essensgutscheine vielfach attraktiv finden. Der Grund dafür sind starre und alte Regeln für den Verpflegungszuschuss. Auch Jürgen Benad, Geschäftsführer des DEHOGA, sieht Handlungsbedarf. „Der DEHOGA unterstützt nachdrücklich die Anpassung des steuerfreien Arbeitgeberzuschusses für arbeitstägliche Mahlzeiten an die aktuellen Sachbezugswerte. Die Maßnahme ist angesichts des seit Jahrzehnten unveränderten Zuschusses bei zugleich hohen Inflationsraten längst überfällig. Die Anpassung trägt zur Kaufkraftsteigerung bei und kann die Vitalität unserer Branche stärken.“

Anders sieht es in Belgien, Frankreich oder Italien aus, die ein höheres Bewusstsein für die Mittagsverpflegung haben – und einfachere rechtliche Rahmenbedingungen. Dort sind Essensgutscheine fester Bestandteil der Mittagskultur und werden von einem Fünftel (Frankreich, Italien) bis zu mehr als zwei Dritteln (Belgien) der Beschäftigten genutzt. Man muss aber auch wissen: Im Vergleich zu Deutschland hat Frankreich eine andere Mittagspausenkultur. Hier nimmt sie einen höheren Stellenwert ein. Traditionell sind die Mittagspausen länger, oft zwischen ein und zwei Stunden. Viele französische Arbeitnehmende kehren nach Hause zurück oder besuchen Restaurants, um zu essen. Dieser Umstand spiegelt die französische Wertschätzung für gutes Essen und soziale Interaktion wider. Dieser Umstand ist für alle Beteiligten gut: Arbeitnehmende sind zufrieden – und Daten belegen, dass Essensgutscheine die Gastronomie stark stützen.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.