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29. Sep 2023

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Gesellschaft

„Die Branche hat einen starken Schnupfen“

Journalist: Armin Fuhrer

Die Dekarbonisierung bietet Unternehmen die Chance für mehr Effizienz, sagt Professor Thomas Beyerle, Research-Chef des Investmentunternehmens Catella.

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Prof. Dr. Thomas Beyerle, Managing Director Catella Property Valuation GmbH

Herr Beyerle, wie stellt sich derzeit die Lage der Immobilien- und Bauwirtschaft da?
Um es mal mit einem Bild zu beschreiben: Die Branche hat einen starken Schnupfen und wir hoffen auf das passende Medikament. Wir liegen also nicht auf der Intensivstation, wir sind aber auch weit davon entfernt, gesund zu sein. Oder anders formuliert: Wir verzeichnen derzeit eine stagnierende Transaktionstätigkeit. Im Moment läuft fast nichts, es wird deutlich weniger gebaut, weniger finanziert und es gibt weniger Transaktionen. Wir liegen jetzt bei dem schwachen Transaktionsniveau des Jahres 2009, also unmittelbar nach der Bankenkrise.

Woran liegt das?
Diejenigen, die kaufen wollen, warten darauf, dass die Preise weiter fallen. Und diejenigen, die verkaufen wollen, wissen, dass die Preise aufgrund der Zinserhöhungen sinken werden und versuchen daher in der Hoffnung, dass sich das wieder ändern wird, den Verkauf hinauszuzögern. Hinzu kommen Inflation, eine schwache wirtschaftliche Gesamtlage und weitere Unsicherheiten – zum Beispiel durch den Krieg in der Ukraine. 

Jetzt kommt das große Thema Dekarbonisierung noch on top dazu. Ist dieses von der Politik ausgegebene Ziel eine weitere Belastung? Oder liegt darin auch eine Chance?
Auf diese Frage werden Sie unterschiedliche Antworten bekommen, je nachdem, wen Sie gerade fragen. Grundsätzlich aber kann man feststellen, dass uns das erste Mal in der Geschichte der Menschheit bewusst wird, dass sich dieses CO2 – das man nicht sehen und nicht anfassen kann – auf die Preise niederschlägt, also kostet. Das lässt zwar die Preise steigen, aber es gibt auch eine positive Seite, denn diese Entwicklung zwingt uns dazu, bisherige Modelle zu hinterfragen und effizienter zu werden. Die höheren Preise stellen, wie das im Kapitalismus immer der Fall ist, ein Korrektiv da. 

Grundsätzlich kann man vorhersagen, dass die Unternehmen von der Dekarbonisierung langfristig profitieren werden, auch wenn es vielen derzeit vielleicht noch nicht so scheint.

Die Frage ist: Profitieren auch die einzelnen Unternehmen davon?
Das tun sie ganz sicher, denn wenn sie effizienter werden und ihre Prozesse dynamisieren, sparen sie auf Dauer Kosten. Ohne den Zwang zur Dekarbonisierung würden sie das im jetzigen Ausmaß nicht tun. Dabei handelt es sich aber um einen Prozess. An manchen Stellen wird er derzeit vom Staat gefördert, aber irgendwann treten an die Stelle der Förderungen Sanktionen. Grundsätzlich kann man vorhersagen, dass die Unternehmen von der Dekarbonisierung langfristig profitieren werden, auch wenn es vielen derzeit vielleicht noch nicht so scheint.

Welche Rolle spielt die digitale Transformation für die Dekarbonisierung?
Ohne die erste wird die zweite nicht funktionieren, das muss man ganz klar sagen. Auf die Immobilienbranche bezogen bedeutet das: Messen, zählen, Daten zusammenbringen. Denn erst, wenn die Daten vorliegen, kann man sie nutzen und effizienter werden. Die digitale Transformation ist ein großer Parallelprozess zur Dekarbonisierung. Da gibt es noch einen sehr großen Nachholbedarf beim Bestandsbau.

30. Apr 2025

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Gesellschaft

Eine benutzerfreundliche Infrastruktur ist ein Muss für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland – mit Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM)

![Christian Heep Vize-Präsident BEM Bundesverband eMobilität -Online.JPG](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christian_Heep_Vize_Praesident_BEM_Bundesverband_e_Mobilitaet_Online_14b581b45a.JPG) ``` Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM) ``` **Welche strategischen Bereiche stehen derzeit im Fokus des BEM?** Wir setzen auf die systemische Transformation des Mobilitätssektors. Dabei liegt unser Augenmerk auf dem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Verknüpfung mit erneuerbaren Energien, klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. **Wie gestaltet sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur?** Ein leistungsfähiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität. Wir fördern eine interoperable und benutzerfreundliche Infrastruktur, die intelligente Netzintegration, bidirektionales Laden und Speicherlösungen umfasst. Bestehende Tankstellen sollen als multifunktionale Energiehubs umgerüstet werden. **In welcher Verbindung stehen E-Mobilität und erneuerbare Energien?** Elektromobilität ist nur dann nachhaltig, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt. Daher muss eine direkte Verbindung zwischen Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien geschaffen werden – unterstützt durch intelligente Netzsteuerung, lokale Erzeugung und Speicherlösungen. Regulatorische Anreize sollen Betreibende und Nutzende dazu motivieren, verstärkt Grünstrom zu verwenden. >Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. **Welche Rolle spielt die Verkehrswende im Klimaschutz?** Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Neben der Elektrifizierung des Straßenverkehrs setzen wir auf multimodale Verkehrskonzepte und die effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. **Wie trägt E-Mobilität zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei?** Der Übergang zur Elektromobilität bietet Deutschland die Chance, sich von fossilen Technologien zu lösen und in Zukunftsbranchen zu investieren. Wichtige Bereiche sind hier die Forschung, Entwicklung und Produktion von Batterien, Ladeinfrastruktur und digitalen Mobilitätsdiensten – essenziell, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. **Ist staatliche Förderung noch notwendig?** Ja, staatliche Förderungen bleiben essenziell, müssen aber zielgerichtet, degressiv und langfristig ausgerichtet sein. Sie sollen den Markthochlauf, den Infrastrukturausbau und die Forschung unterstützen – während gleichzeitig Subventionen für fossile Kraftstoffe reduziert werden müssen. >Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. **Wie sollten staatliche Fördermaßnahmen gestaltet sein?** Es braucht eine Förderpolitik, die die Transformation gesamtheitlich betrachtet: Infrastruktur, Fahrzeugflotten, Speichertechnologien und Netzintegration. Gleichzeitig müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden, etwa bei Netzentgelten oder Abgaben auf Eigenstromnutzung. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und politischer Lenkungswirkung sind sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Förderungen notwendig. Jeder investierte Euro zahlt sich langfristig aus, indem er Innovationskraft, Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Klimaschutz sichert. **Wie bewertet der BEM die erhöhten Zölle auf chinesische Elektroautos?** Protektionismus ist kein zielführender Ansatz. Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. ## Factbox: **Christian Heep ist Vorstand beim BEM** und leitet Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Politik, Messen und Events. Seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und Elektromobilität inspiriert ihn zu innovativen Projekten für eine nachhaltige Mobilität.