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28. Sep 2023

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Gesellschaft

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist ein Gewinn für alle Beteiligten

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: National Cancer Institute/unsplash, Presse

Dr. Martin Walger, Geschäftsführer vom Verband der Diagnostica-Industrie e. V. (VDGH), spricht im Interview über den Nutzen, den mehr Digitalisierung für Patienten und Ärzte bedeutet.

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Dr. Martin Walger, Geschäftsführer vom Verband der Diagnostica-Industrie e. V. (VDGH)

Warum hinkt Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen hinterher?
Deutschland hat in der Medizin und Gesundheitsfürsorge eine Tradition der Exzellenz. Bei der Integration digitaler Innovationen hapert es aber noch. In Europa sind uns Länder wie Estland, Dänemark und Schweden voraus. Ein Grund ist die Komplexität unseres hoch regulierten Gesundheitssystems. Die Koordination aller Akteure ist entsprechend aufwendig. 20 Jahre Diskussion um die elektronische Patientenakte sind mehr als genug. Jetzt endlich wird Tempo gemacht. Die Vorschläge des Bundesgesundheitsministers zum Digital-Gesetz und zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz liegen auf dem Tisch.

Wir brauchen zeitnahe Entscheidungen über die Versorgung auf dem Land, über den Umgang mit betreuungsintensiven Menschen, über die Wissensgenerierung und -vernetzung in der Forschung und Produktentwicklung, über individualisierte Therapieempfehlungen.

In welchen Bereichen könnte man schnell und einfach digitaler werden?
Schnell und einfach ist eine seltene Kombination. Aber unumstritten ist: Der demographische Wandel bedeutet zunehmender Bedarf an Gesundheits- und Pflegeleistungen bei gleichzeitigem Rückgang der in diesem Sektor Tätigen. Wir brauchen zeitnahe Entscheidungen über die Versorgung auf dem Land, über den Umgang mit betreuungsintensiven Menschen, über die Wissensgenerierung und -vernetzung in der Forschung und Produktentwicklung, über individualisierte Therapieempfehlungen. Eine stärkere Digitalisierung ist der Schlüssel zur Lösung dieser Herausforderungen.

Die Diagnostikindustrie arbeitet an Modellen, die maschinelles Lernen nutzen, um die Entscheidungsfindung bei Labortests noch weiter zu verbessern. Für Menschen mit Diabetes stehen inzwischen Technologien zur Verfügung, die alle relevanten Daten zu einem Datenmanagementsystem zusammenführen, visualisieren und langfristig nachverfolgbar machen. Zugleich werden manuelle Übertragungsfehler vermieden.

Wem würde das Nutzen bringen?
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist ein Gewinn für alle Beteiligten. Chronisch kranke Menschen profitieren, da das Patientenselbstmanagement gestärkt wird. Mit der ePA können Diagnosen aus dem Labor strukturiert gespeichert, medizinische Befunde des Patienten verknüpft und Behandlungsergebnisse evaluiert werden. Gleichzeitig sollen die anonymisierten Daten künftig in einem zentralen Archiv, dem Forschungsdatenzentrum, für die Entwicklung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen. Das heißt, wenn Patienten ein Hilfsmittel oder eine Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) nutzen, können die Daten aus den Anwendungen sowohl vom Arzt genutzt als auch in anonymisierter Form für die Gesundheitsforschung nutzbar gemacht werden. Auf dieser Basis können bereits bestehende Untersuchungs- und Behandlungsmethoden optimiert und neue Methoden patientenzentriert entwickelt werden. So schließt sich der Kreis.

Welche Ziele verfolgt die eHealth-Allianz?
Die eHealth-Allianz besteht aus acht Verbänden der industriellen Gesundheitswirtschaft. Wir setzen uns gemeinsam für die Entwicklung einer nationalen eHealth-Strategie in Deutschland ein. Im Juni 2018 wurde eine „Dialogplattform eHealth-Zielbild für Deutschland“ vorgestellt. Die Allianz freut sich, dass sie mit ihren Positionen viele Anregungen für die Digitalisierungsstrategie des BMG geben konnte.

27. Jun 2025

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Gesellschaft

Wahlfach Informatik: Zu wenig für Europas digitale Souveränität – mit Christine Regitz

![ChristineRegitz_c_MikeAuerbach_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christine_Regitz_c_Mike_Auerbach_online_d5622666e2.jpg) ```Christine Regitz ist Präsidentin der Gesellschaft für Informatik e. V. (GI)``` Inmitten einer Zeitenwende, in der wirtschaftliche Stärke zunehmend durch digitale Kompetenz definiert wird, ist informatische Bildung ein entscheidender Hebel für Souveränität und Wirtschaftswachstum. Deutschland braucht nicht nur mehr IT-Fachkräfte – es braucht insgesamt eine digital gebildete Gesellschaft. Denn ohne breite informatische Grundbildung wird die digitale Transformation zur Abhängigkeit statt zur Chance. Informatikkompetenz ist kein Nice-to-have mehr, sondern Grundlage für wirtschaftliche Resilienz. Sie entscheidet darüber, ob wir technologische Entwicklungen mitgestalten oder ihnen hinterherlaufen. Das gilt auch für den Bereich der Künstlichen Intelligenz. Wer KI nur konsumiert, bleibt abhängig – von den Infrastrukturen, Werten und wirtschaftlichen Interessen anderer. Wenn Europa bei der Entwicklung eigener KI-Systeme den Anschluss verliert, verlieren wir mehr als nur Marktanteile: Wir verlieren unsere digitale Selbstbestimmung. Fachkräftesicherung beginnt nicht erst an der Hochschule, sondern bereits in der Grundschule. Informatik muss flächendeckend als Pflichtfach und praxisnah unterrichtet werden – nicht nur, um Lücken am Arbeitsmarkt zu schließen, sondern um die nächste Generation zum aktiven Gestalten zu befähigen. Nur so entsteht ein Arbeitsmarkt, der auf Augenhöhe mit der Technologie agiert. >Wenn Europa bei der Entwicklung eigener KI-Systeme den Anschluss verliert, verlieren wir mehr als nur Marktanteile: Wir verlieren unsere digitale Selbstbestimmung. Deshalb hat die Gesellschaft für Informatik e. V. die Allianz für informatische Bildung ins Leben gerufen. Unser Ziel: den Informatikunterricht flächendeckend stärken, auch schon im Primarbereich. Denn wer heute nicht in digitale Bildung investiert, riskiert morgen, dass Innovation, Wertschöpfung und technologische Kontrolle dauerhaft in Übersee stattfinden. Europa braucht eigene Modelle, eigene Infrastrukturen und vor allem: eigene Menschen, die sie bauen können.