4. Mär 2022

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„Die Energiewende ist eine Wärmewende“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Kohl Architekten

Die Produktion von grünem Strom allein reicht nicht. Aber mit der Nutzung von Abwärme kann sehr viel Energie eingespart werden, die bisher vergeudet wird.

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Stefan Håkansson, CEO E.ON Business Solutions & Prof. em. Hubert Schulte-Kemper, CEO FAKT AG; Fotos: Presse

Politik und gesellschaftliche Gruppen fordern die Reduktion des Verbrauchs von Kohlenstoff in der Energiewirtschaft. Warum ist dieser Schritt so wichtig?

Schulte-Kemper: Die CO2-Emissionen müssen für die Transformation zu einer annähernd treibhausneutralen Wirtschaft weiter sinken. Das bestreitet heute niemand mehr und so ist das Thema Klimawandel die Bestimmungsgröße geworden, nach der sich alles andere richtet. Das zwingt alle, sich ehrlich damit auseinanderzusetzen, ganz egal, ob es sich um die Industrie, die Kommunen oder die Verbraucher handelt. Wenn man sich vor diesem Hintergrund anschaut, wieviel Energie verschwendet wird, ist das geradezu unfassbar.


Wie meinen Sie das?

Schulte-Kemper: Noch immer geht bei Industrieunternehmen viel Wärme und damit Energie unnötigerweise in großem Maßstab verloren. Diese Wärme kann man einfangen, kanalisieren und damit positiv nutzen. Die Bundesregierung will die Sektorkopplung weiter vorantreiben. Dabei werden Industrie, Gebäude und Verkehr über Strom und Wärme energietechnisch und energiewirtschaftlich miteinander verknüpft. Auf dem Weg zur treibhausgasneutralen Wirtschaft müssen auch die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden.

Welche Rolle spielt in diesem Prozess die Energiewirtschaft?

Håkansson: Dekarbonisierung ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um den fortschreitenden Klimawandel aufzuhalten und unseren Planeten als Lebensraum zu erhalten. Die Energiewirtschaft spielt dabei eine entscheidende Rolle, da sie für fast drei Viertel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Wir nehmen diese Herausforderung an und verstehen uns als „Society builder“, indem wir die Energiewelt revolutionieren.


Wo könnte vorrangig Energie gespart werden?

Håkansson: Wir erleben eine immer stärkere Urbanisierung. Schon heute sind Gebäude in Europa für 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Die Energiewende findet also in den Städten statt und ist im Kern vor allem eine Wärmewende. Der steigende Anteil von grünem Strom ist gut, die weitaus größere Herausforderung liegt aber in der CO2-neutralen Versorgung mit Wärme, ein Aspekt, der in der öffentlichen Debatte viel zu kurz kommt.

Schulte-Kemper: Städte weisen eine hohe Energiedichte und komplexe Energieströme auf und bestehen aus vielen einzelnen Quartierstypen. Die ganzheitliche Betrachtung städtischer Siedlungsräume bietet daher ein großes Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz.


Und wie kann man der Verschwendung entgegentreten?

Håkansson: Der Schlüssel liegt in der effizienten Nutzung von Energie. Das bedeutet vor allem eine Reduktion des Primärenergieverbrauchs, also Energiesparmaßnahmen. Darüber hinaus gibt es ein gigantisches Potenzial, „Energie mehr als einmal zu nutzen“, wie wir sagen. Großes Potential sehen wir hier vor allem in der Abwärme industrieller Prozesse. Wir versorgen beispielsweise die König-Brauerei in Duisburg mit der Abwärme eines nahegelegenen Stahlwerks und ermöglichen so eine CO2-freie Wärmeversorgung.


Können Sie weitere Beispiele nennen?

Schulte-Kemper: In unserem gewerblichen Projektentwicklungsgeschäft entsteht in Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern der FAKT-Gruppe ein Leuchtturmprojekt im Rahmen der Neuausrichtung des SHAMROCKPARKs in Herne. Durch den Einsatz des integrierten Energiesystems (E.ON ectogrid™) wird Energie nicht nur erzeugt und verbraucht, sondern auch geteilt und gespeichert. Damit kann die Liegenschaft dank eines Baukastensystems sukzessive in einen CO2-freien Stadtteil mit einem Höchstmaß an autarker Energieversorgung entwickelt werden.

Bei anderen Projekten im Ruhrgebiet prüfen wir beispielsweise, ob wir das Grubenwasser in 1.000 Meter Tiefe nutzen können, um Energie zu erzeugen. In dieser Tiefe hat das Wasser eine Temperatur von etwa 30 Grad. Im Moment wird es sinnlos gefördert und in die Flüsse gelenkt. Zum Teil muss es sogar gekühlt werden, damit es nicht zu einem Fischsterben kommt.


Können Sie E.ON ectogrid noch genauer erklären?

Håkansson: E.ON ectogrid™ ist ein geschlossenes Wärme- und Kältenetz mit niedrigen Temperaturen, in dem mehrere Gebäude über ein Leitungssystem miteinander verbunden werden. Die Grundidee des Systems besteht darin, dass jedes Gebäude je nach Bedarf überschüssige Wärme oder Kälte mit anderen Gebäuden austauscht. In jedem Gebäude erzeugen Wärmepumpen und Kältemaschinen die jeweils benötigten Temperaturen. Durch das Teilen, Ausbalancieren und Speichern von Energie nutzt ectogrid™ alle verfügbaren Energieströme effizient, bevor neue Energie hinzugefügt wird. Eine weitere Besonderheit ist das flexible Temperaturniveau des Netzes. Ist es kalt, läuft das Netz auf niedrigen Temperaturen. Ist es warm, betreiben wir das Netz mit höheren Temperaturen. So vermeiden wir Abwärmeverluste an die Umgebung und sparen uns zudem die Isolierung der Leitungen. Das senkt in Summe den Energieverbrauch, die Kosten und Umweltauswirkungen drastisch.


Wie erfolgt die Steuerung?

Håkansson: Digitale Intelligenz spielt bei unseren Lösungen eine entscheidende Rolle. Zur ganzheitlichen Optimierung von ectogrid™ haben wir die cloudbasierte Software ectocloud™ entwickelt. Sie ermöglicht in Echtzeit die Kontrolle und den Betrieb von Speichern, Netzen und Wärmepumpen. Auf Basis von selbstlernenden Algorithmen sammelt und verarbeitet die Software-Daten zu systemrelevanten Einflüssen wie Energiebedarf, Wetter und Marktpreisen.


Kann ectogrid™ auch bei bestehenden Gebäuden eingesetzt werden?

Håkansson: Mit Ectogrid können auch Bestandsgebäude energetisch aufgerüstet werden. Das ist ein sehr großer Vorteil, denn der Abriss eines Gebäudes kostet Energie und Baumaterialien, was wiederum die Umwelt belastet. Jedes Gebäude, das nicht abgerissen, sondern instandgesetzt wird, ist also ein weiterer Beitrag zur Nachhaltigkeit.

E.ON ectogrid™

E.ON ectogrid™ ist ein geschlossenes Netz mit niedrigen Temperaturen, in dem Wärmepumpen und Kältemaschinen die Temperatur in jedem Gebäude bedarfsgerecht anpassen. Die Technologie senkt den Energieverbrauch drastisch – und damit Kosten- und Umweltauswirkungen.

Die FAKT AG

Die FAKT-Unternehmensgruppe hat ihren Schwerpunkt in der Projektentwicklung. Kernsektoren sind die Bereiche Immobilien sowie Projekte zur umweltfreundlichen Energieerzeugung und effizienten Nutzung knapper Ressourcen.

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30. Apr 2025

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Gesellschaft

Eine benutzerfreundliche Infrastruktur ist ein Muss für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland – mit Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM)

![Christian Heep Vize-Präsident BEM Bundesverband eMobilität -Online.JPG](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christian_Heep_Vize_Praesident_BEM_Bundesverband_e_Mobilitaet_Online_14b581b45a.JPG) ``` Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM) ``` **Welche strategischen Bereiche stehen derzeit im Fokus des BEM?** Wir setzen auf die systemische Transformation des Mobilitätssektors. Dabei liegt unser Augenmerk auf dem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Verknüpfung mit erneuerbaren Energien, klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. **Wie gestaltet sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur?** Ein leistungsfähiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität. Wir fördern eine interoperable und benutzerfreundliche Infrastruktur, die intelligente Netzintegration, bidirektionales Laden und Speicherlösungen umfasst. Bestehende Tankstellen sollen als multifunktionale Energiehubs umgerüstet werden. **In welcher Verbindung stehen E-Mobilität und erneuerbare Energien?** Elektromobilität ist nur dann nachhaltig, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt. Daher muss eine direkte Verbindung zwischen Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien geschaffen werden – unterstützt durch intelligente Netzsteuerung, lokale Erzeugung und Speicherlösungen. Regulatorische Anreize sollen Betreibende und Nutzende dazu motivieren, verstärkt Grünstrom zu verwenden. >Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. **Welche Rolle spielt die Verkehrswende im Klimaschutz?** Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Neben der Elektrifizierung des Straßenverkehrs setzen wir auf multimodale Verkehrskonzepte und die effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. **Wie trägt E-Mobilität zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei?** Der Übergang zur Elektromobilität bietet Deutschland die Chance, sich von fossilen Technologien zu lösen und in Zukunftsbranchen zu investieren. Wichtige Bereiche sind hier die Forschung, Entwicklung und Produktion von Batterien, Ladeinfrastruktur und digitalen Mobilitätsdiensten – essenziell, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. **Ist staatliche Förderung noch notwendig?** Ja, staatliche Förderungen bleiben essenziell, müssen aber zielgerichtet, degressiv und langfristig ausgerichtet sein. Sie sollen den Markthochlauf, den Infrastrukturausbau und die Forschung unterstützen – während gleichzeitig Subventionen für fossile Kraftstoffe reduziert werden müssen. >Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. **Wie sollten staatliche Fördermaßnahmen gestaltet sein?** Es braucht eine Förderpolitik, die die Transformation gesamtheitlich betrachtet: Infrastruktur, Fahrzeugflotten, Speichertechnologien und Netzintegration. Gleichzeitig müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden, etwa bei Netzentgelten oder Abgaben auf Eigenstromnutzung. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und politischer Lenkungswirkung sind sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Förderungen notwendig. Jeder investierte Euro zahlt sich langfristig aus, indem er Innovationskraft, Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Klimaschutz sichert. **Wie bewertet der BEM die erhöhten Zölle auf chinesische Elektroautos?** Protektionismus ist kein zielführender Ansatz. Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. ## Factbox: **Christian Heep ist Vorstand beim BEM** und leitet Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Politik, Messen und Events. Seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und Elektromobilität inspiriert ihn zu innovativen Projekten für eine nachhaltige Mobilität.