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14. Nov 2024

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Wirtschaft

„Die Ernährungswende dauert zwei Generationen“ – mit Godo Röben

Journalist: Gunnar von der Geest

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Foto: Presse

Alternative Proteinquellen werden unsere Ernährung nachhaltig verändern. Godo Röben über Lehren aus großen Wenden, die Rolle der Politik – und seine Liebe zur Currywurst.

Energie, Mobilität, Ernährung: In vielen Bereichen stoßen wir an Grenzen, die uns aufzeigen, dass wir nicht mehr so weitermachen können wie bisher. Der Begriff „Wende“ avanciert zum „Wort des Jahrhunderts“. Als Geschäftsführer der Rügenwalder Mühle war Godo Röben mitverantwortlich für die Transformation vom traditionellen Fleischunternehmen zu einem führenden Anbieter von veganen und vegetarischen Produkten. Seit drei Jahren ist der 55-Jährige in unterschiedlichen Funktionen tätig – als Vorstandsmitglied im Bundesverband für Alternative Proteinquellen, als Investor bei pflanzenbasierten Start-ups sowie als Aufsichtsrat und Beirat für Unternehmen im Lebensmittelbereich. Darüber hinaus berät er politische Entscheidungsträger.

Früher wurden Sie „Veggie-Revolutionär“ genannt, heute sind Sie Pionier im Bereich alternativer Proteine. Was ist Ihre Motivation? Nach kürzlich veröffentlichten Zahlen der UN leben heute 8,2 Milliarden Menschen auf der Erde. Dies ist eine Verdoppelung seit Mitte der 1970er-Jahre. Schätzungen zufolge werden wir bis 2050 die Marke von 10 Milliarden überschreiten. Mit unserer bisherigen Lebensweise können wir diese nicht ernähren. Statt auf tierische Proteinquellen zu setzen, werden zukünftig pflanzliche Alternativprodukte, zum Beispiel aus Hülsenfrüchten, eine entscheidende Rolle spielen. Sie verursachen geringere Treibhausgas-Emissionen, verbrauchen weniger Wasser und Land und schonen somit unsere natürlichen Ressourcen.

Letztlich mögen wir Menschen nicht gern auf lieb gewonnene Dinge wie einen leckeren Burger verzichten. Deshalb ist es wichtig, dass neue Produkte mit Top-Qualität überzeugen.

Welchen Zeitraum wird die Ernährungswende benötigen – und wo stehen wir heute? Große Wenden vollziehen sich stets nach ähnlichen Mustern und dauern in der Regel 50 bis 60 Jahre. Die Energie- und Mobilitätswenden sind bereits einige Jahrzehnte weiter. Anfangs gibt es meist ein paar Freaks wie die Anti-Atomkraft-Bewegung in den 1980er-Jahren. In puncto Ernährung waren Vegetarier und Veganer die „Vorkämpfer“. Erst wurden sie belächelt, dann bemerkte die breite Masse, dass ihre Ansichten gar nicht so falsch sind. Zum ökologisch-ethischen kommt dann der ökonomische Aspekt hinzu: Wenn die Wirtschaft feststellt, dass sich ein lukrativer Markt öffnet. Diese Entwicklungen verlaufen allerdings nicht linear: Bei jeder Wende gibt es Hypes und auch Rückschläge. Letztlich mögen wir Menschen nicht gern auf lieb gewonnene Dinge wie einen leckeren Burger verzichten. Deshalb ist es wichtig, dass neue Produkte mit Top-Qualität überzeugen. Bei der Ernährungswende stehen wir auf einer Skala von 1 bis 6 am Ende von Phase 1. Fast jeder Supermarkt in Deutschland hat Regale mit vegetarischen und veganen Produkten eingeführt – ein toller Erfolg!

Neue pflanzenbasierte Proteinquellen sind die eine Seite der „Ernährungsmedaille“. Auf der anderen Seite wird vermehrt über die Züchtung von Laborfleisch diskutiert. Wie stehen Sie dazu? 2013 wurde der erste Burger-Bratling aus kultiviertem Rindfleisch vorgestellt. Diese Bulette hatte rund 250.000 Euro an Kosten verschlungen. Inzwischen liegt der Preis für Fleisch aus dem Fermenter bei etwa drei Euro pro Kilo. Anfangs dachte ich: Das ist „Frankenstein-Food“ aus einem Gruselfilm. Doch inzwischen habe ich meine Meinung revidiert.

Letztlich geht‘s darum, dass wir alle – Erzeuger, Handel, Verbraucher und Politik – die Ernährungswende erfolgreich bewältigen. Und zwar gemeinsam.

Was hat dazu geführt?

Es ist Abwägungssache: Möchte ich, dass sich Hunderte von Schweinen im Stall die Schwänze abbeißen? Oder entnehme ich einem Tier einige Zellen, um diese im Nährmedium wachsen zu lassen? Ich gehe davon aus, dass wir mittelfristig Fermentationstanks sehen werden, eventuell sogar auf Bauernhöfen. Letztlich geht‘s darum, dass wir alle – Erzeuger, Handel, Verbraucher und Politik – die Ernährungswende erfolgreich bewältigen. Und zwar gemeinsam.

Welche Erwartungen haben Sie an die Politikerinnen und Politiker in Deutschland?

Die Politik sollte vor allem gute Rahmenbedingungen schaffen. Bei pflanzenbasierten Innovationen ist Deutschland zurzeit weltweit an der Spitze. Es wäre bedauerlich, wenn wir aus den Fehlern, die beispielsweise im Solar-Sektor gemacht wurden, nicht lernen würden. Dort hat China uns mit hohen Subventionen für die eigene Industrie die „Butter vom Brot genommen“. Ein subventionierter Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf herkömmliche Fleischprodukte ist der falsche Anreiz für Veränderungen.

Ein Blick in die „Glaskugel“: Mit welchen Protein-Lieferanten werden sich Verbraucher hierzulande wohl eher nicht anfreunden?

Für Insekten-Produkte sehe ich bei uns keinen großen Markt. Ernährung ist immer auch eine Kultur- und Kopfsache. Die Asiaten „ticken“ da doch etwas anders als wir.

Über Godo Röben

Nach der Ausbildung zum Industriekaufmann und einem Management-Studium war Godo Röben mehr als 25 Jahre bei Rügenwalder tätig. Der zweifache Vater ernährt sich zu 90 Prozent fleischlos. Wenn indes der 25-köpfige Stammtisch im Gasthof seines Wohnortes Brake (Unterweser) tagt, greift er beherzt bei seinem Leibgericht zu: Currywurst mit Pommes.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.