Diesen Artikel teilen:

13. Jun 2022

|

Business

Die innovative Lifescience-Branche braucht Daten

Journalist: Dr. Meinrad Lugan, Vorstandsvorsitzender BVMed – Bundesverband Medizintechnologie

|

Foto: Presse, Christopher Gower/unsplash

Die mittelständisch geprägte Medizintechnik- und Lifescience-Branche steht aktuell vor großen Herausforderungen. Und das zusätzlich zu den aktuellen Krisen wie Ukraine-Krieg, Russland-Sanktionen und anhaltende Corona-Pandemie.

lugan-2022-2.jpg

So sorgen beispielsweise stark steigende Rohstoff- und Energiepreise sowie Transportkosten für dramatisch steigende Kosten. Hinzu kommen höhere regulatorische Anforderungen durch die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR), der digitale Wandel und die Transformation der Industrie zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz.

Politik und Gesellschaft konnten sich in der Corona-Krise auf die Medtech- und Biotech-Branche verlassen: von der Entwicklung eines Impfstoffes und der intensivmedizinischen Betreuung, der ambulanten Versorgung durch Homecare-Unternehmen und Hilfsmittel-Leistungserbringer, der gesteigerten Produktion von Spritzen und Hygieneprodukten bis hin zur logistischen Leistung des medizinischen Fach- und Großhandels. Jetzt müssen wir die mittelständisch geprägte Branche bei der Bewältigung der Herausforderungen besser unterstützen und den Medizintechnik-Standort Deutschland stärken.

Die MedTech-Branche ist dabei ein bedeutender Teil der Gesundheitswirtschaft:

•         Die Unternehmen beschäftigen in Deutschland über 235.000 Menschen.

•         Die Branche ist stark mittelständisch geprägt. 93 Prozent der MedTech-Unternehmen beschäftigen weniger als 250 Mitarbeiter.

•         Zudem ist sie ein wichtiger Treiber des medizinischen Fortschritts. Im Durchschnitt investieren die Unternehmen rund neun Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung.

•         Deutsche Medizintechnik ist auf dem Weltmarkt sehr erfolgreich. Die Exportquote lag im Jahr 2020 bei rund 65 Prozent. Der Umsatz liegt bei rund 34 Milliarden Euro.

Der Koalitionsvertrag bietet gute Ansätze, um den Mittelstand zu stärken, Bürokratie abzubauen und Innovationen zu fördern. Ein wichtiges Anliegen ist dabei die bessere Nutzung der Gesundheitsdaten für die Forschung und Versorgung. Denn: Daten retten Leben.

Um Krankheiten vorzubeugen, frühzeitig zu erkennen und passgenau zu behandeln, benötigen wir Gesundheitsdaten. Sie ermöglichen auch schnelle und effektive MedTech-Produktentwicklungen und -verbesserungen genauso wie die Optimierung von Versorgungsstrukturen – und sichern damit die bedarfsgerechte Patientenversorgung auf einem qualitativ und technisch hohen Niveau. Der BVMed hat deshalb das Ziel, durch eine bessere Datennutzung die Gesundheitsversorgung der Menschen weiter zu verbessern. Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz in der Digitalisierungsstrategie aus Hardware, Software und Datenanalyse ein.

Die Unternehmen der Medizin- und Biotechnologie erwarten von der neuen Bundesregierung entscheidende Weichenstellungen für die im Koalitionsvertrag angekündigte Stärkung des Medizintechnik-Standorts Deutschland und die Entlastung der Unternehmen von starker Bürokratie.

Mein Fazit: Deutschland braucht eine forschungsstarke, leistungsfähige, wirtschaftlich gesunde und international wettbewerbsfähige Lifescience- und Medizintechnik-Branche. Lassen sie uns gemeinsam Gesundheit gestalten.  

27. Jun 2025

|

Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Span-nungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Be-schaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulie-ren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Her-steller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Statt-dessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbe-stände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen ge-meinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in en-ger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wie-derum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Aus-wahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lie-ferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lie-ferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, so-zial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne ge-zahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entspre-chend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichte-ten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemein-sam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Part-nerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zu-sammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Info-tainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim au-tonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vor-standsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Management-karriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldti-mer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Aus-flüge mit ihrem Hund in die Natur.