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10. Dez 2024

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Business

„Die Kooperation mit Startups lohnt sich“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Presse, Headway/unsplash

Junge Unternehmen können für Mittelständler eine wertvolle Unterstützung bei der Aufgabe sein, sich nachhaltig auf neue Herausforderungen einzustellen.

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Marc S. Tenbieg, Geschäftsführender Vorstand beim Deutschen Mittelstands-Bund (DMB)

Mittelständische Unternehmen stehen heute vor vielen Herausforderungen, allen voran die Themen Digitalisierung und Dekarbonisierung. Die Digitalisierung hat fast alle Branchen erreicht, sodass Unternehmen, die hier nicht auf dem aktuellen Stand sind, auf Dauer nicht konkurrenzfähig sind. Die Dekarbonisierung liegt nicht nur vielen Unternehmern am Herzen, um das Klima zu schützen, sondern wird vor allem von der Europäischen Union auf gesetzlichem Weg stark vorangetrieben. Es drohen im Fall der Nichtbeachtung drastische Strafen und die Dichte der Regelungen wird immer größer. „Um diese Herausforderungen bestehen zu können und zugleich ihre Position am Markt zu erhalten oder zu verbessern, bietet sich für viele Unternehmen eine Kooperation mit einem Startup an“, sagt Marc S. Tenbieg, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Mittelstands-Bundes (DMB).

Mir ist klar, dass manche Unternehmer hier eine Hemmschwelle überwinden müssen.

Herr Tenbieg, viele Unternehmen engagieren für die Durchführung bestimmter notwendig gewordener Maßnahmen Dienstleister oder Berater. Reicht das aus?

Wenn es darum geht, ein Problem möglichst rasch zu lösen, weil das Unternehmen zum Beispiel sehr spät auf eine anstehende Gesetzesverschärfung reagiert, ist das Engagieren eines Dienstleisters in vielen Fällen die richtige Maßnahme. Aber das verursacht natürlich Kosten und ist keine nachhaltige Lösung.

Ergibt es also mehr Sinn, die entsprechende Kompetenz dauerhaft an das Unternehmen zu binden?

Das ist ganz sicher so. Und dafür eignen sich junge Startups ganz hervorragend. Eine Kooperation hat viele Vorteile. Denn diese Zusammenarbeit ist auf Dauer angelegt und viel umfassender als eine vorübergehende Dienstleistung.

Inwiefern?

Nehmen wir das Stichwort Digitalisierung: Es reicht ja nicht aus, lediglich die bisherigen Strukturen des Unternehmens zu digitalisieren. Digitalisierung bedeutet viel mehr, dahinter steckt ein ganzes Mindset – das Unternehmen muss möglicherweise ganz anders aufgestellt werden. Zu einer solchen Maßnahme ist es aber aus eigener Kraft womöglich kaum in der Lage. Ein junges Startup, das von Anfang an umfassend an diese Herausforderung herangeht und vieles sieht, was die etwas ältere Führung des Unternehmens gar nicht erkennt, ist in dieser Situation eine sehr große Hilfe. Andererseits profitieren ja auch die Startups von der Zusammenarbeit, weil sie Geld oder Auftraggeber brauchen.

Welche Voraussetzungen braucht es für die Zusammenarbeit?

Natürlich müssen die beiden Partner zusammenpassen. Aber mindestens genauso wichtig ist es, sich ehrlich zu machen – vor sich selbst und vor dem potenziellen Partner. Das bedeutet, man muss sich klar machen, wo man steht und sich auch dem Startup gegenüber öffnen. Nur dann kann die Zusammenarbeit wirklich erfolgreich werden. Mir ist klar, dass manche Unternehmer hier eine Hemmschwelle überwinden müssen. Zumal auch die Sprache der jungen Unternehmen oft eine ganz andere ist. Aber ich bin mir sehr sicher: Es lohnt sich.

Factbox:

Viele Startups haben pfiffige neue Ideen, benötigen aber Kapital oder neue Auftraggeber. Mittelständische Unternehmen können langfristige Aufträge vergeben, als Kapitalgeber auftreten oder ein Joint Venture eingehen. So sichern sie den Bestand des Startups, das wiederum zur Lösung ihrer eigenen Probleme beitragen kann.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.