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1. Sep 2022

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Business

Die mobilen Menschen mitnehmen – auch, aber nicht nur elektrisch!

Journalist: Karsten Schulze, ADAC Technikpräsident

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Foto: ADAC/Peter Neusser

Die Elektromobilität und insbesondere die batterieelektrische Mobilität ist ein zentraler Baustein auf dem Weg zu unserer zukünftigen Mobilität ohne klimaschädliche Emissionen. Ein nennenswerter Umstieg kann aber nur gelingen, wenn die Nutzerinnen und Nutzer von den Vorteilen überzeugt sind. Hierzu bedarf es u.a. einer flächendeckenden, aber gerade auch bedarfsgerechten und nutzerfreundlichen Ladeinfrastruktur. Es gilt allerdings, Alternativen über die elektrische Mobilität hinaus zu berücksichtigen.

 

Inzwischen sind weit über eine Million reine Elektrofahrzeuge und Plug-In Hybride in Deutschland zugelassen. Bis Ende 2030 sollen es rund 15 Millionen Fahrzeuge sein, im selben Zeitraum sollen bis zu einer Million öffentliche Ladepunkte entstehen.

Die passende Infrastruktur spielt eine entscheidende Rolle: Nur wenn das Laden eines Elektrofahrzeugs an öffentlichen Ladesäulen ebenso einfach unkompliziert abläuft, wie es der Verbraucher – beispielsweise bezüglich des Bezahlvorgangs per Giro- oder Kreditkarte – von Tankstellen gewohnt ist, kann sich Elektromobilität als echte Alternative durchsetzen und ihre Vorteile ausspielen. Natürlich sind aber auch viele weitere Faktoren relevant, etwa Fahrzeugpreis und Verfügbarkeit einer Lademöglichkeit zu Hause.

Um Klimaziele zu erreichen, aber auch angesichts der aktuellen politischen Lage und der hohen Kraftstoffpreise zeigt sich jedoch: Wir brauchen in der Mobilität Alternativen abseits fossiler Kraftstoffe. Dabei sollte man sich nicht nur auf eine Technologie fokussieren und stets die Ansprüche und Bedürfnisse der Verbraucher im Blick haben: Sie müssen auf dem Weg in eine neue Mobilität mitgenommen werden!

So sollten Fahrzeuge, die Wasserstoff als Kraftstoff nutzen, perspektivisch ebenfalls eine Alternative darstellen. Die Infrastruktur und das Fahrzeugangebot stecken hier noch in den Kinderschuhen. Die Anzahl der Wasserstofftankstellen sollte aber angemessen mitwachsen und eine zukunftsweisende räumliche Abdeckung gewährleisten.

In der Betrachtung alternativer Kraftstoffe dürfen aus Sicht des ADAC fortschrittliche Biokraftstoffe und E-Fuels nicht vernachlässigt werden, zumal sie gerade bei Bestandsfahrzeugen eine gute Lösung darstellen, um diese möglichst klimafreundlich zu betreiben. Andere Länder sind in dieser Hinsicht bereits deutlich weiter. Ein wesentlicher Vorteil ist, dass dabei bestehende Infrastrukturen genutzt werden können. Angesichts der vielen Jahre, die ein Pkw im Bestand verbleibt, braucht es aus Sicht des ADAC daher zwingend auch Lösungen, um bereits zugelassene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor klimaverträglich betreiben zu können. 

Die Senkung der Treibhausgasemissionen im Sektor Verkehr ist eine große Herausforderung unserer Zeit. Die Dekarbonisierung des Verkehrs gelingt nur, wenn sowohl Lösungen für den Fahrzugbestand geschaffen werden, als auch der Weg für alternative Antriebe ambitioniert fortgesetzt wird. Sämtliche Möglichkeiten sind bestmöglich zu nutzen und nicht als konkurrierende, sondern als komplementäre Optionen zu sehen, um das übergeordnete Ziel der Emissionsminderung klimaschädlicher Gase möglichst gut für alle Beteiligten zu erreichen.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.