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11. Dez 2023

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Business

„Die Rahmenbedingungen verbessern“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Presse

Wirtschaftliche Unsicherheit ist ein wichtiger Grund für den Rückgang von Unternehmensgründungen, sagt Dr. Vanessa Just, Vorstandsmitglied des KI-Verbands.

Frau Just, in Deutschland geht die Zahl von jungen Menschen, die Unternehmen gründen möchten, zurück. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Ich denke, die Gründe sind sehr individuell, was es schwer macht, dies generell zu beantworten. Jedoch kann ich in meiner täglichen Arbeit und aus meiner eigenen Biografie sagen, dass die wirtschaftliche Unsicherheit ein wichtiger Faktor ist. Das schreckt potenzielle Gründer ab und ist auch in Umfragen zu sehen. Dazu kommt, dass der Gründergeist häufig familiär geprägt und vorgelebt wird und dies vielleicht in der Vergangenheit stärker der Fall war. Außerdem nehme ich auch eine Angst vor dem Misserfolg wahr. Es gehört viel Mut dazu, in das Risiko des Gründens zu gehen und sich diesen Schritt zu trauen.

 

Welche Folgen hat diese Entwicklung für den Standort Deutschland?

Die Folgen sind bereits sichtbar. Junge Unternehmen schaffen häufig Innovationen, die das Wirtschaftswachstum beschleunigen können. Damit einher geht auch, dass keine neuen Geschäftsmodelle etabliert werden, was die treibende Kraft der Diversität im Wettbewerb schwächt. Und wie schon bei Ihrer ersten Frage ausgeführt, wird hierdurch auch ein kultureller Wandel, hin zu weniger Risiko, sichtbar.

 

Und was müsste man dagegen tun?

Diesen Entwicklungen kann durch gezielte Förderprogramme, Bildungsinitiativen, steuerliche Anreize und eine positive öffentliche Wahrnehmung des Unternehmertums begegnet werden. Die Lösung kann nur darin liegen, die Rahmenbedingungen so günstig wie möglich zu gestalten. In meinen Augen hat der Standort Deutschland die strategische Aufgabe, ein förderndes Umfeld zu schaffen. Dabei ist die wichtigste Aufgabe die Förderung von Frauen und sozialer Diversität in der Start-up-Welt. Gründerinnen müssen sichtbar sein und so als Role-Model fungieren, was nur durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich wird. Zudem ist soziale Herkunft noch viel zu häufig ausschlaggebend für den Erfolg. Gründen ist immer noch ein Privileg gut situierter Menschen. Daher muss über den Zusammenhang von Diversität und Gründungen stärker informiert werden.

 

Künstliche Intelligenz bietet jungen Unternehmen viele neue Möglichkeiten. Welche Rolle sollte sie spielen?

Zum einen hat KI eine transformative Kraft für die Geschäftsmodelle von jungen Unternehmen, zum anderen schafft sie Vorteile für die Unternehmensprozesse selbst. Zahlen des Start-up-Verbands in der Monitor-Studie von 2023 zeigen, dass für 52 % der Start-ups KI mindestens einen großen Einfluss auf ihr Geschäftsmodell hat, was die große Relevanz des Themas widerspiegelt. KI kann dabei auch mit Mehrwerten, wie der leichteren Datenanalyse, der Steigerung der Effizienz durch Automatisierung oder der Unterstützung im Kundensupport durch ChatBots die Arbeit der Start-ups optimieren. In beiden Fällen ist es jedoch im Hinblick auf ethische Aspekte und der Frage des Datenschutzes wichtig, einen ausgewogenen und verantwortungsbewussten Ansatz für ihren Einsatz zu wählen.

 

In Deutschland wurden 2022 weniger Betriebe gegründet als 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie. Bei Großunternehmen ging der Anteil um 6,1 Prozent zurück, bei Kleinunternehmen sogar um 15,5 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der Gewerbeanmeldungen 2022 um 4,5 Prozent auf rund 673.500.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.