Diesen Artikel teilen:

15. Mär 2023

|

Business

Die unbekannten Global Player

Journalist: Nadine Wagner

|

Foto: Sylvie Muller/Pexels

Kleine und mittelständische Unternehmen aus Deutschland dominieren den Weltmarkt.

Produkte mit dem Etikett „Made in Germany“ genießen einen exzellenten Ruf. Marken wie Siemens, Volkswagen oder Adidas sind zudem weltweit bekannt und erzielen jährlich Umsätze in Milliardenhöhe. Doch die eigentlichen Global Player stammen oftmals aus dem deutschen Mittelstand: Die heimlichen Weltmarktführer, sogenannte „Hidden Champions“, sind mittelständische Unternehmen (KMU), die innerhalb ihrer Branche eine herausragende Stellung einnehmen und dabei entweder zu den Top Drei der Welt zählen oder mindestens auf ihrem Heimatkontinent die Rangliste anführen. Das gelingt ihnen, indem diese mit ihren zumeist hochtechnologischen Produkten bzw. Spezialdienstleistungen bestimmte Nischen im Weltmarkt bedienen. Die Firmen verfügen dementsprechend über ein spezielles Know-how, das weltweit gebraucht wird. Einen Großteil ihres Umsatzes erwirtschaften sie deshalb im Ausland.  

Laut Wirtschaftsprofessor und Namensgeber Hermann Simon fallen unter den Begriff „Hidden Champions“ üblicherweise diejenigen Unternehmen, die im B2B-Bereich agieren und der breiten Öffentlichkeit daher weitgehend fremd sind. Zusätzlich handelt es sich oft um inhabergeführte Familienunternehmen, die in der Regel weniger als 2.500 Mitarbeitende beschäftigen, eine geringe Fluktuation aufweisen und bereits seit mehr als 70 Jahren im Markt existieren. Ihr durchschnittlicher Umsatz liegt Simon zufolge bei etwa 467 Millionen Euro pro Jahr.    

Weltweit gibt es circa 3.400 Firmen, darunter allein 1.573 in Deutschland, die als „Hidden Champions“ gelten. Wie aus einer Studie des Informationsdienstes des Instituts der deutschen Wirtschaft (IDW) hervorgeht, ist die Zahl der deutschen „Hidden Champions“ von 2015 bis 2020 um ein Fünftel gewachsen – Tendenz steigend.
Kerngebiet jener Unternehmen ist das verarbeitende Gewerbe, wobei der Maschinen- und Anlagenbau mit rund 22 Prozent dominiert. Es folgen Firmen aus dem Elektronikbereich, der Automatisierung sowie der technischen Industrie.
Anders als viele große Unternehmen haben sich jene KMU häufig in der Provinz niedergelassen. Laut IHK Arnsberg gelten insbesondere die Region Südwestfalen bzw. das Sauerland als besonders attraktive Standorte für den Mittelstand. Beliebt sind auch Baden-Württemberg, Hessen und Bayern. Das Schlusslicht in puncto „Hidden Champions“ bilden Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. 

Nur ein winziger Bruchteil der hierzulande insgesamt 3,3 Millionen ansässigen Unternehmen gehört folglich zu den unbekannten Nischen-Marktführern. Viele namhafte Unternehmen wie auch Start-ups können trotzdem so Einiges hinsichtlich ihrer Unternehmensführung von den Mittelständlern lernen, denn die „Hidden Champions“ sind klar fokussiert, äußerst zielstrebig und an Kontinuität interessiert. Durch ihre Positionierung in Nischen erfolgt ihr Wachstum zwar langsam, aber dafür durchdacht.      

27. Jun 2025

|

Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Span-nungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Be-schaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulie-ren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Her-steller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Statt-dessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbe-stände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen ge-meinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in en-ger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wie-derum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Aus-wahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lie-ferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lie-ferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, so-zial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne ge-zahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entspre-chend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichte-ten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemein-sam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Part-nerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zu-sammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Info-tainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim au-tonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vor-standsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Management-karriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldti-mer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Aus-flüge mit ihrem Hund in die Natur.