Diesen Artikel teilen:

17. Mär 2023

|

Gesellschaft

„Die Vision einer vernetzten Stadt“

Journalist: Armin Fuhrer

|

Foto: Juurrian/unsplash, Presse

Smart Cities sind die Antwort auf Probleme von Metropolen wie Mobilität und Nachhaltigkeit, sagt Michael Pfefferle vom Branchenverband Bitkom e.V.

michael-pfefferle-4000x3000px-online.jpg
Michael Pfefferle, Bereichsleiter Smart City & Smart Region beim Digitalverband Bitkom e.V.

Herr Pfefferle, bietet die Smart City die Chance, die Stadt der Zukunft neu zu denken?
Städte entwickeln sich permanent weiter, denn sie sind ein Abbild unserer Gesellschaft. Die Smart City bietet die Möglichkeit, die Art und Weise, wie wir in den Metropolen leben, zu verändern. In Zukunft müssen Metropolen grüner und digitaler werden. Dafür gibt es weltweit unterschiedliche Konzepte, aber allen ist gemeinsam, dass sie die Digitalisierung nutzen wollen, um das Leben in den Städten besser zu machen.

Was verstehen Sie unter einer Smart City? Was macht sie aus?
Im Grunde genommen beschreibt die Smart City die Vision einer digital vernetzten Stadt oder vernetzten Region. Es geht darum, soziologische, ökonomische und ökologische Ziele zu verfolgen und Probleme zu lösen. Dazu zählt zum Beispiel eine verbesserte Ressourceneffizienz, das Erreichen der Klimaziele, eine erhöhte Lebensqualität, die Förderung der lokalen Wirtschaft und das Schaffen von Innovationsräumen für junge Unternehmen. Es geht auch darum, die Bürgerinnen und Bürger und deren individuelle Bedürfnisse stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Das kann zum Beispiel bedeuten, die Bedürfnisse der Fußgänger oder Fahrradfahrer oder älterer Menschen stärker zu berücksichtigen. Um solche Bedürfnisse besser zu erkennen und umsetzen zu können, ist die Digitalisierung ein sehr hilfreiches Mittel.

Smart City und Digitalisierung gehören also untrennbar zusammen?
Wenn wir über Smart City sprechen, reden wir immer auch über die Digitalisierung. Digitale Plattformen werden zum Herzen der Stadt. Einerseits verändert sich der Alltag, in dem Bürger digital mit der Verwaltung kommunizieren, das kann vom Online-Antrag bis zur städtischen App reichen. Wie in einem Online-Shop greifen wir Bürger digital auf die Leistungen des Staats zu. Oder wir können mit dem Smartphone die privaten und öffentlichen Mobilitätsangebote in der Stadt aus einer Hand nutzen. Andererseits  erhebt die Kommune durch die Digitalisierung Daten und erhält so mehr Informationen über das Leben in der Stadt. Diese anonymisierten Daten kann sie nutzen, um damit die Stadt- oder Quartiersentwicklung zu verbessern oder in Echtzeit automatisierte Entscheidungen zu treffen. So können zum Beispiel Schwerpunkte im öffentlichen Nahverkehr entdeckt und Verkehrsströme auf verstopften Straßen entflochten werden. Die Stadt muss in der Lage sein, die Daten auszuwerten, zu strukturieren, und dann in Aktion umzusetzen.  

Ist Technologie eine Art Allheilmittel für die Lösung von Problemen?
Technologie ist nie Allheilmittel, sie ist eher wie ein Instrumentenkasten, den man sehr unterschiedlich nutzen kann. Wichtig ist, dass jede Stadt Strukturen aufbaut, um für sich die richtige digitale Lösung zu finden und dem Bürger digitale Angebote zu machen.  Nur auf Konzepte und Lösungen aus anderen Ländern, etwa aus Asien, zu schauen, reicht nicht. Wir müssen in Deutschland und Europa unsere eigene Idee der Digitalisierung entwickeln. 

„Die Smart City ist entscheidend für die Reduzierung von Treibhausgasen.“

Stichwort Nachhaltigkeit und Klimawandel: Welche Rolle spielt die Smart City an dieser Stelle schon heute und in der Zukunft?
75 Prozent der Treibhausgase weltweit werden von Metropolen ausgestoßen. Das zeigt, welche wichtige Rolle sie auf dem Weg zu mehr Umweltschutz und beim Kampf gegen den Klimawandel spielen. Große Städte entwickeln heute eigene Strategien für mehr Nachhaltigkeit und vernetzen sich untereinander, wie zum Beispiel in der G20 Global Smart Cities Alliance. Die Smart City ist entscheidend für die Reduzierung von Treibhausgasen.

Täuscht der Eindruck, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zurückliegt?
Andere Länder sind bei der Entwicklung teilweise schon sehr weit, während wir in Deutschland leider noch eher am Anfang stehen. Es gibt hierzulande eine viel größere Skepsis gegenüber der Digitalisierung als in anderen Ländern. Und wir führen in Deutschland oft Scheindebatten, um Themen zu verschieben. Wir müssen klar sagen, dass die Politik die Digitalisierung der Städte und den Ausbau der Infrastruktur verschlafen hat. Auch die Finanzierung läuft falsch, denn sie ist häufig nur auf einen bestimmten Zeitraum ausgelegt und endet dann. Wir müssen Digitalisierung aber als langfristigen Teil der kommunalen Infrastruktur ansehen. Zudem haben wir einen Fachkräftemangel, der es sehr schwierig macht, qualifizierte IT-Experten für die öffentliche Verwaltung zu gewinnen. Dennoch haben einige Großstädte in Deutschland in den vergangenen Jahren beachtliche Fortschritte gemacht, wie unser jährlicher Smart City Index zeigt. Nur dürfen wir uns darauf nicht ausruhen, sondern müssen das Tempo noch deutlich erhöhen.

Wenn Michael Pfefferle mal den Kopf frei bekommen und nicht über die digitale Stadt von morgen nachdenken möchte, setzt sich der Berliner in seiner Freizeit gerne auf sein Gravelbike, lässt die Großstadt hinter sich und fährt ins Grüne. „Das ist eine gute Art, sich zu entspannen“, findet der 32-jährige.

27. Jun 2025

|

Gesellschaft

Wahlfach Informatik: Zu wenig für Europas digitale Souveränität – mit Christine Regitz

![ChristineRegitz_c_MikeAuerbach_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christine_Regitz_c_Mike_Auerbach_online_d5622666e2.jpg) ```Christine Regitz ist Präsidentin der Gesellschaft für Informatik e. V. (GI)``` Inmitten einer Zeitenwende, in der wirtschaftliche Stärke zunehmend durch digitale Kompetenz definiert wird, ist informatische Bildung ein entscheidender Hebel für Souveränität und Wirtschaftswachstum. Deutschland braucht nicht nur mehr IT-Fachkräfte – es braucht insgesamt eine digital gebildete Gesellschaft. Denn ohne breite informatische Grundbildung wird die digitale Transformation zur Abhängigkeit statt zur Chance. Informatikkompetenz ist kein Nice-to-have mehr, sondern Grundlage für wirtschaftliche Resilienz. Sie entscheidet darüber, ob wir technologische Entwicklungen mitgestalten oder ihnen hinterherlaufen. Das gilt auch für den Bereich der Künstlichen Intelligenz. Wer KI nur konsumiert, bleibt abhängig – von den Infrastrukturen, Werten und wirtschaftlichen Interessen anderer. Wenn Europa bei der Entwicklung eigener KI-Systeme den Anschluss verliert, verlieren wir mehr als nur Marktanteile: Wir verlieren unsere digitale Selbstbestimmung. Fachkräftesicherung beginnt nicht erst an der Hochschule, sondern bereits in der Grundschule. Informatik muss flächendeckend als Pflichtfach und praxisnah unterrichtet werden – nicht nur, um Lücken am Arbeitsmarkt zu schließen, sondern um die nächste Generation zum aktiven Gestalten zu befähigen. Nur so entsteht ein Arbeitsmarkt, der auf Augenhöhe mit der Technologie agiert. >Wenn Europa bei der Entwicklung eigener KI-Systeme den Anschluss verliert, verlieren wir mehr als nur Marktanteile: Wir verlieren unsere digitale Selbstbestimmung. Deshalb hat die Gesellschaft für Informatik e. V. die Allianz für informatische Bildung ins Leben gerufen. Unser Ziel: den Informatikunterricht flächendeckend stärken, auch schon im Primarbereich. Denn wer heute nicht in digitale Bildung investiert, riskiert morgen, dass Innovation, Wertschöpfung und technologische Kontrolle dauerhaft in Übersee stattfinden. Europa braucht eigene Modelle, eigene Infrastrukturen und vor allem: eigene Menschen, die sie bauen können.