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6. Sep 2024

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Business

Digital denken, menschlich handeln – mit Isabell Fries

Journalist: Julia Butz

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Foto: Fauxels/pexels

Das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine ermöglicht vielfältige Chancen. Offenheit und Neugier aber sind die Voraussetzung.

Isabell Fries_online.jpg Isabell Fries, CDO Direktion Jürgen Fries, Mentorin & Speakerin

Die fortschreitende Technologisierung verändert unsere Arbeitswelt. Automatisierung, Vernetzung und maschinelles Lernen sind bereits stark wahrnehmbare Veränderungen. Veränderungen, die vielfach mit Befürchtungen vor Arbeitsplatzverlust einhergehen. Dabei geht es in keiner Weise um einen Wettbewerb „Mensch vs. Maschine“, erklärt Isabell Fries. Die Expertin für Zukunftsfragen ist auf die Themen Future Work, Kommunikation und finanzielle Bildung spezialisiert und hat an der Universität Cambridge u. a. zum Thema Mensch-Maschine-Interaktion geforscht. „Zwar verändert die Technologie die Anforderungen an unsere Kompetenzen. Aber Angst ist immer ein schlechter Begleiter“, erklärt Isabell Fries: „Die drei ‚A‘s‘ sind an dieser Stelle besonders wichtig: Angst nehmen, ausprobieren, selbst aktiv werden. Und die Offenheit und Neugierde sich auf neue Situationen einzulassen. Nur so können Mensch und Maschine im kollegialen Miteinander gemeinsam ein besseres Ergebnis erzielen.“ Dazu müsse man sich zunächst fragen, an welcher Stelle Künstliche Intelligenz helfen kann und wo es Sinn macht, Dinge outzusourcen und nicht zuletzt: was einzigartig menschliche Fähigkeiten sind, die uns von einer Maschine unterscheiden.

Nach Isabell Fries bezeichnen die Antworten darauf, genau den Kern dessen, welche Future Skills benötigt werden: „Um den Herausforderungen einer noch unbekannten Zukunft begegnen zu können, braucht es die Stärkung von Menschen in ihrem vollen Potenzial – und ihrer menschlichen Skills, wie Empathie, Emotionale Intelligenz, soziale Kompetenz, Intuition.“ Künstliche Intelligenz sei zwar in der Lage auf Basis vorhandener Daten zu lernen und aus diesem Learning eine Aufgabe zu erledigen, doch „der Mensch gibt den Takt vor“, betont Isabell Fries. „Technologische Möglichkeiten müssen genutzt, aber auch kritisch hinterfragt werden. Auch wird es immer die menschliche Einschätzung und Urteilsfähigkeit erfordern, insbesondere bei ethischen und komplexen Werturteilen. Und es braucht menschliche Kreativität für innovatives Denken oder um sich Unvorhergesehenem flexibel anpassen zu können.“ Echte smart Skills eben, getreu Isabell Fries‘ Motto „digital denken, aber menschlich handeln“.

Dazu gehören auch Teamwork und Kollaboration, bestenfalls so divers wie möglich, über Geschlechter, Altersstufen und Aufgabenfelder hinweg. „Ego hat keine Zukunftsfähigkeit“, sagt Isabell Fries und ergänzt: „Im deutschen Schulsystem ist leider oft kaum Teamarbeit gefragt, die Leistung des Einzelnen steht im Fokus. Dabei ist Teamfähigkeit essenziell für den späteren Arbeitsalltag.“ Einer Modernisierung des Bildungssystems, auch in Hinblick auf mehr technologische und digitale Bildungsangebote sowie inklusiven Lernen komme als Voraussetzung einer Befähigung mit Zukunftskompetenzen, eine enorme Bedeutung zu: „Das Bildungssystem braucht dringend ein Zukunftsupdate. Art und Form der Bildung müssen sich verändern, Lehrpläne aktualisiert werden, um reflektierte und resiliente Persönlichkeiten herausbilden zu können. Wenn wir lernen stärkenbasiert zu denken, zu arbeiten und zu handeln, können wir die Zukunft gestalten.“, schließt Isabell Fries.

Über Isabell Fries:

Isabell Fries ist Nachfolgerin in 2. Generation des Familienunternehmens Direktion Jürgen Fries, Mentorin bei STARTUPTEENS sowie Mitinitiatorin von „Young AI Leaders“. Als Beraterin, TEDx- und Keynote-Speakerin inspiriert die „Mutmacherin des Mittelstands“ bei Tech- und Innovationsevents.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.