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13. Jun 2022

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Business

„Digitale Gesundheitsdaten sind wertvoll“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Presse, freestocks/unsplash

Patienten und Anbieter müssen sich gegen Diebstahl durch Cyberkriminelle schützen, fordert Allie Mellen, Analystin beim Beratungsunternehmen Forrester.

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Allie Mellen, Analystin beim Beratungsunternehmen Forrester

Frau Mellen, die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet voran und bringt mit der Bereitstellung großer Datenmengen viele Vorteile. Aber birgt das nicht auch große Risiken für die Datensicherheit?

Absolut. Die Einführung neuer Technologien im Gesundheitswesen kann sowohl für Anbieter als auch für Patienten von großem Nutzen sein. Aus Sicherheitssicht ist das jedoch nicht ohne Herausforderungen. Wenn diese Daten gespeichert oder über das Internet zugänglich sind, werden sie zu einem Ziel für Cyberkriminelle oder Nationalstaaten, die online verkauft oder für Überwachungs- oder Doxing-Zwecke verwendet werden können.

Digitale Gesundheitsdaten sind von besonderem Interesse für Cyberkriminelle. Warum ist das so?

Digitale Gesundheitsdaten sind zutiefst persönlich und sehr wertvoll, nicht nur für Patienten, sondern auch für Anbieter und böswillige Drittakteure. Cyberkriminelle erkennen, dass sie Gesundheitsdaten für eine hohe Prämie im Dark Web verkaufen oder Patientendaten gewinnbringend nutzen können. Abhängig von der Raffinesse der Organisation können sie gestohlene Gesundheitsdaten verwenden, um auf illegalem Weg Rezepte zu erhalten, Versicherungsanbieter zu betrügen oder medizinische Geräte unter der Identität einer anderen Person zu kaufen. 

Warum sind Datenschutzverletzungen im Gesundheitswesen besonders schlimm?

Datenschutzverletzungen im Gesundheitswesen stellen eine besondere Herausforderung für Patienten dar, da es kein formelles System zur Verfolgung von Gesundheitsdaten und ihrer Verwendung gibt. Es ist viel schwieriger zu erkennen, ob ein Krimineller diese Daten auf betrügerische Weise verwendet, was bedeutet, dass Cyberkriminelle sie ohne potenzielle Auswirkungen für sich selbst für böswillige Absichten verwenden oder verkaufen können. 

Wer ist außer den Patienten noch betroffen?

Es gibt zwei Gruppen, die von Datenschutzverletzungen bei Gesundheitsdaten betroffen sind: Neben den Patienten trifft das natürlich auch auf die Technologieanbieter zu. Technologieanbieter, die angegriffen werden, gehen das Risiko von Geschäftsausfällen, den Verlust des Kundenvertrauens, von geistigem Eigentum sowie von Kundendaten und anderen Faktoren ein. Patienten, die einen Verstoß gegen ihre Gesundheitsdaten erleiden, sollten sich des möglichen Missbrauchs durch Cyberkriminelle bewusst sein und unbedingt darauf achten, dass es möglichst gar nicht dazu kommt.

Wo liegen denn die Hauptgefahrenquellen?

Die Hauptgefahrenquellen dürften Cyberkriminelle oder nationalstaatliche Akteure sein. Cyberkriminelle konzentrieren sich in den meisten Fällen auf den Geldwert der Gesundheitsdaten, die sie stehlen; also auf die Suche nach Möglichkeiten, mit den Daten so viel Geld wie möglich zu verdienen. Im Gegensatz dazu stehlen Nationalstaaten eher Gesundheitsdaten zu Überwachungszwecken oder um Informationen über Einzelpersonen zu sammeln. Dies wird wahrscheinlich in Abstimmung mit anderen, größeren Überwachungsoperationen erfolgen.

Und wer ist bei Schutzmaßnahmen primär gefragt – die Anbieter der Technologien oder die Anwender?

Das hängt davon ab, wo der oder die Betroffene wohnt. Es gibt einige Länder, die Vorschriften wie die DSGVO haben, die den Benutzern die Kontrolle über ihre Daten geben und von den Anbietern verlangen, Verstöße innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens offenzulegen. In diesen Fällen tragen die Technologieanbieter eine Verantwortung gegenüber den Benutzern, und die Benutzer haben das Recht, den Zugriff auf ihre Daten jederzeit zu widerrufen. In anderen Ländern ohne diese Vorschriften sind die Technologieanbieter für den Schutz der Benutzerdaten verantwortlich, aber die Benutzer haben nicht das gleiche inhärente Recht, den Zugriff zu widerrufen. 

Was müssen Anbieter tun, um Datendiebstahl zu verhindern? Welche Schritte sollten Sie unternehmen? 

Anbieter sollten unbedingt innerhalb ihrer Organisation ein Sicherheitsprogramm aufbauen, um sich vor Angriffen auf das Unternehmen und jede von ihnen entwickelte Technologie zu schützen. Dieses Programm sollte sich auf eine Zero-Trust-Sicherheitsstrategie konzentrieren und auch die Sicherheitsüberwachung der Umgebung umfassen. Darüber hinaus sollten Technologieanbieter Maßnahmen zur Produktsicherheit priorisieren und diese in ihr SDLC einbauen, um Kundendaten zu schützen.

Und welche Möglichkeiten haben Patienten beziehungsweise Kunden, die Sicherheit zu erhöhen?

Letztendlich müssen Nutzer darauf achten, mit welchen Anbietern sie ihre Daten teilen. Es ist wichtig, vertrauenswürdige Anbieter zu finden und die Weitergabe von Daten auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Fordern Sie außerdem eine Kopie Ihrer Daten für Ihre Unterlagen an und widerrufen Sie den Zugriff auf diese Daten, wenn Sie den Anbieter wechseln.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Span-nungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Be-schaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulie-ren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Her-steller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Statt-dessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbe-stände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen ge-meinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in en-ger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wie-derum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Aus-wahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lie-ferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lie-ferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, so-zial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne ge-zahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entspre-chend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichte-ten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemein-sam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Part-nerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zu-sammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Info-tainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim au-tonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vor-standsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Management-karriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldti-mer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Aus-flüge mit ihrem Hund in die Natur.

30. Apr 2025

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Wirtschaft

Bidirektionales Laden spart Milliarden , Elektroautos können viel mehr, als „nur“ leise und ohne Abgase zu fahren

Mit bidirektionaler Ladetechnologie (BiDi) können sie Strom speichern und ins Netz zurückspeisen. Eine aktuelle Studie von Transport & Environment (T&E) zeigt, dass dies für Europas Energieversorger und Autofahrer Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen könnte. Die Einsparungen resultieren aus einer effizienteren Nutzung der Erzeugungskapazitäten und einem geringeren Kraftstoffverbrauch. Um das Potenzial dieser Technologie zu nutzen, sind jedoch geeignete regulatorische Rahmenbedingungen notwendig. Laut der T&E-Studie könnte das Einsparpotenzial für Energieversorger und Verbraucher in der EU bis zu 22 Milliarden Euro jährlich betragen, was etwa acht Prozent der Kosten für das EU-Energiesystem entspricht. Von 2030 bis 2040 könnte die BiDi-Technik EU-weit mehr als 100 Milliarden Euro einsparen, allein in Deutschland bis zu 8,4 Milliarden Euro jährlich. Ein Grund für die hohen Einsparungen ist die Möglichkeit, mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, insbesondere Solarstrom, in das Energiesystem zu integrieren. Die Nutzung der Fahrzeugakkus könnte den Bedarf an teureren stationären Speichern in der EU um bis zu 92 Prozent senken und die installierte PV-Leistung um bis zu 40 Prozent steigern. Die Halter von Elektrofahrzeugen profitieren direkt vom bidirektionalen Laden, da sie mit geringeren Stromkosten rechnen können. Zudem dürfte die Lebensdauer der Fahrzeugakkus durch optimiertes Laden steigen. In Frankreich haben The Mobility House und Renault beispielsweise das erste Vehicle-to-Grid (V2G)-Angebot eingeführt. Besitzer eines V2G-fähigen Renault 5 können mit einer speziellen Wallbox kostenfrei laden und ihren Fahrzeugakku ins Energiesystem einspeisen. Dieses Angebot soll bald auch in Deutschland und dem Vereinigten Königreich verfügbar sein. Im deutschen Markt gibt es jedoch noch Herausforderungen, wie den langsamen Roll-out von Smart Metern und die Notwendigkeit, einen passenden rechtlichen Rahmen zu schaffen. Der zweite Europäische Gipfel für bidirektionales Laden hat klare Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die nun umgesetzt werden müssen. Dazu gehört die Abschaffung der Doppelbelastung von zwischengespeichertem Strom durch Netzentgelte und die Sicherstellung, dass „grüner“ Strom seine Förderansprüche auch bei Zwischenspeicherung im Akku behält. Die Messe „The smarter E Europe“ 2025 wird dem Thema eine eigene Sonderschau widmen, um Chancen und Herausforderungen für die Mobilitäts- und Energiebranche aufzuzeigen. Die Veranstaltung findet vom 7. bis 9. Mai 2025 in München statt und vereint vier Fachmessen: Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe. Die Sonderschau auf „The smarter E Europe“ wird dabei Produkte und Lösungen für das bidirektionale Laden präsentieren und Raum für Austausch und Networking bieten. ## Factbox The smarter E Europe vereint als Europas größte Messeallianz für die Energiewirtschaft vier Fachmessen (Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe) und findet vom 7. bis 9. Mai 2025 auf der Messe München statt. https://www.powertodrive.de/home