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23. Mai 2019

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Business

Durch die Wüste statt ins Schlaraffenland

Journalist: Armin Fuhrer

„Um ein Startup zu gründen, braucht man nicht nur eine Idee und ein Marketingkonzept“, sagt Experte Felix Thönnessen. „Nötig ist auch viel Ausdauer.“

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist zwar sehr gut, doch viele Menschen möchten lieber ihre eigene Chefin oder ihr eigener Chef sein – und gründen daher ein Startup. Längst nicht immer stehen die erhofften Millionen im Fokus, wenn der Laden dann erst einmal so richtig brummt. Viele Gründer möchten einfach ein selbstbestimmteres Leben führen. Doch bevor man loslegt, ist einiges zu beachten. „Ganz wichtig ist es, eine gute Idee für eine Dienstleistung oder ein Produkt zu haben“, sagt Experte Felix Thönnessen. Der 38-Jährige hat vier Jahre lang die Kandidaten, die an der VOX-Show „Die Höhle des Löwen“ teilnehmen und dort, in der Hoffnung auf Kapitalgeber, ihre Idee für ein Startup präsentieren, beraten.

„Bevor man loslegt, sollte man sich fragen, ob es für die Dienstleistung oder das Produkt einen Markt geben könnte“, so Thönnessen. Der Autor des Werkes „Arbeitsbuch Startup: Das 7-Stufen-Programm“ rät dazu, möglicherweise erst einmal mit einer kleinen Variante den Markt an zu testen und dann zu entscheiden, ob man weitermachen wolle. Nicht zuletzt ist die Gründung eines Startups ja auch eine Geldfrage. Da hat Thönnessen eine gute Nachricht: „Es gibt heute mehr Wege und Möglichkeiten, an Startkapital zu kommen denn je“. Ob Familie und Freunde, Mitgründer, die das Kapital mitbringen, Förderprogramme vom Bund oder den Ländern, Business Angel oder Crowdfunding – Möglichkeiten gibt es viele. Trotzdem ist das Einsammeln von Kapital kein Zuckerschlecken. „Das schafft man nicht in einer Woche“, warnt Thönnessen vor allzu optimistischen Erwartungen. Unerlässlich sind nach seiner Ansicht vor allem auch zwei weitere Dinge. Zum einen ein gutes Marketingkonzept. „Viele Gründer, die scheitern, scheitern an einer fehlenden oder schlechten Marketing- und Vertriebsstrategie“. Im Zweifel sollte man nicht auf Hilfe von Externen wie einer Agentur verzichten. „Auf keinen Fall sollte man zur Selbstüberschätzung neigen und denken, man könne das alles alleine“. Zum anderen braucht es ganz persönliche Stärken, wenn man sich mit seiner Gründung am Markt durchsetzen will. Man sollte sich fragen, ob man die nötige Ausdauer hat, kritik- und beratungsfähig ist und ob man mit den Höhen und Tiefen des Gründerdaseins auskomme. „Eine Gründung ist eher ein Gang durch eine karge Wüste als der Weg ins Schlaraffenland“.

Gerade auf dem Gebiet der Kritik- und Beratungsfähigkeit sieht Thönnessen nicht selten Gründerinnen im Vorteil. „Frauen können oft mit Beratung und Kritik besser umgehen als Männer. Sie sind häufig umgänglicher und flexibler“, schildert er seine persönliche Erfahrung. Daher findet er es auch schade, dass der Anteil der Frauen bei den Startups nach wie vor deutlich geringer ist als der der Männer. Vor allem beim technologischen Online-Marketing liege der Anteil der Männer bei bis zu 90 Prozent. „Ich finde oftmals überhaupt keine Frauen, die sich auf diesem Gebiet bewegen“. Gründerinnen konzentrierten sich demgegenüber eher auf „weiche“ Themen wie Coaching, Ernährung oder Work-Life-Balance. Doch auch wenn Thönnessen durchaus Unterschiede zwischen Gründerinnen und Gründern sieht, ist eins für ihn klar: „Man kann das Thema Gründung nicht genderspezifisch betrachten – es gibt ganz unterschiedliche Frauen und ganz unterschiedliche Männer“.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.