16. Mär 2020
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Gesundheit
Journalist: Katja Deutsch
Spaß und Alkohol – das gehört für viele ihrer Freundinnen und Freunde genauso untrennbar zusammen wie für Marie. Kann man überhaupt feiern, ohne dabei das eine oder andere Glas Alkohol zu trinken? Der 18. Geburtstag, das Abi, der Führerschein, die bestandene Probezeit im neuen Job – immer ein guter Anlass, eine Flasche zu köpfen und zusammen anzustoßen. Und wer arbeitet schon gerne mit Spaßverderbern, die bei einem tollen Jahresabschluss nicht mit dem Team anstoßen möchten? Alkohol zu trinken ist im Berufsleben immer noch schwer angesagt.
Wie bei so vielen wurde der Alkohol bei Marie immer mehr, sie stieß nicht mehr nur bei Jubelanlässen an, sondern begann, den täglichen Stress wegzutrinken. Aus dem einen Glas Wein zur Entspannung am Abend wurden zwei, schließlich eine ganze Flasche, dann noch zusätzlich Hochprozentiges. „Doch dass ich süchtig war, merkte ich erst, als ich auch schon morgens, alleine, das zwingende Bedürfnis nach Alkohol verspürt habe“, sagt sie. „Und als ich realisiert habe, dass ich bereits seit einer ganzen Weile heimlich getrunken habe.“
Mehrere Schicksalsschläge ließen sie noch mehr trinken, und als schließlich ihr Arbeitsplatz wegrationalisiert wurde, nahm ihre Sucht endgültig überhand. Mindestens 20 Jahre lang hatte Marie regelmäßig und (oft zu viel) getrunken, bis sie realisierte, dass es so nicht weitergehen konnte. „Die Klinik, die ich schließlich aufsuchte, hat mir mein Leben zurückgegeben. Nach der ärztlichen Erstuntersuchung umfasste die Behandlung zwölf therapeutische Einzelsitzungen, fünf Mal pro Woche je eine zweistündige Gruppentherapie, außerdem verschiedene Massagen, Sport (v. a. Yoga) und tägliche Entspannungsübungen“, sagt Marie.
In der Entgiftungsphase wurde sie fünf Tage lang mit Neuro-Elektrischer Stimulation (NES) behandelt, um die Entzugserscheinungen zu minimieren. Insgesamt dauerte Maries Entzug 23 Tage. Als hart empfand sie nur den Anfang. „Ich wusste nicht, ob ich es wirklich schaffen würde, vom Alkohol loszukommen. Doch bereits nach zwei bis drei Tagen habe ich deutlich gespürt, dass es mir besser geht. Entzugserscheinungen hatte ich so gut wie gar nicht, meine Stimmung besserte sich, ich bekam wieder Appetit und konnte mit Hilfe leichter Schlafmedikamente endlich auch wieder einigermaßen schlafen.“
Sehr hilfreich fand Marie die Tatsache, dass eine kleine Gruppe von Menschen mit gleich gelagertem Problem (nur Alkoholiker, keine anderen Drogen) geschlossen die Therapie begann und beendete. Neben der sofort spürbaren Wirkung der NES empfand die Mittvierzigerin vor allem die respektvolle Haltung aller Klinikmitarbeiter, von der Chefärztin bis zur Servicekraft, und die Möglichkeit offener, ehrlicher Kommunikation und echter Fürsorge zu jeder Zeit, als sehr hilfreich für ihre Genesung.
Marie ist jetzt seit zehn Monaten trocken und genießt das Leben ohne Alkohol außerordentlich, vor allem die damit einhergehende Freiheit: „Endlich wieder all die Dinge tun zu können, die ich wirklich möchte, gibt mir tagtäglich die Stabilität, die ich brauche, um abstinent zu bleiben. Dem Yoga bin ich treu geblieben und ich habe mich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen, die ich wöchentlich besuche und für sehr was wertvoll erachte. Wenn es mal ‚zwickt‘ und der Gedanke an den Alkohol aufkommt, wende ich die Techniken an, die ich gelernt habe. Und schließlich ist mir mein Mann eine sehr große Stütze.“