Diesen Artikel teilen:

30. Sep 2021

|

Gesellschaft

„Ein echtes Erfolgsmodell“

Journalist: Armin Fuhrer

Hamburg hat gute Erfahrungen mit der Anhandgabe städtischer Grundstücke gemacht. Mit der Methode kann eine ungezügelte Spekulation verhindert werden – im Interview mit Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH und Jens Fieber, Head of Hamburg Edge Technologies.

Herr Professor Bruns-Berentelg, Hamburg arbeitet bei großen Projekten mit der sogenannten Anhandgabe. Was versteht man darunter?

Bruns-Berentelg: Es geht dabei um eine Option mit Planungsverpflichtung. Wir arbeiten damit in Hamburg schon seit fast 60 Jahren. Diese Methode hat einige generelle Vorteile, denn man einigt sich mit dem Projektpartner vorab über die wesentlichen Konditionen eines Vertrages und über die Konzeption eines Gebäudes. Auf der Basis dieser Vereinbarungen, die als Anhandgabe bezeichnet wird, wird ein gemeinsamer Planungsprozess aufgesetzt. Dieser Prozess führt schließlich zu einem Kaufvertrag und der Genehmigung des geplanten Bauvorhabens. Wir kaufen also als HafenCity nicht die Katze im Sack, sondern die Voraussetzung ist, dass die vorvertraglich festgelegten Bedingungen eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall, fällt das Grundstück wieder an die Stadt zurück. 

Was ist der Vorteil dieser Methode?

Bruns-Berentelg: Im Wettbewerb um begehrte Grundstücke werden von den Entwickler:innen und Investor:innen häufig sehr viele Zusagen gemacht, die sie anschließend nur schwer einhalten können. Solchen Problemen kann man mit der Anhandgabe ein Stück weit aus dem Weg gehen. Zudem ist sie ein probates Mittel, um Innovationen in die Projekte einzupflegen, zum Beispiel, was das Thema Nachhaltigkeit betrifft. Wir können also von Beginn an gemeinsam mit dem Bauherrn Bedingungen für Innovationen entwickeln. In der östlichen HafenCity haben wir damit beispielsweise die Themen Digitalisierung, Circular Economy oder den Bau eines 60 Meter hohen Holzhauses vorangetrieben. Im nächsten Schritt wollen wir jetzt prüfen, wie wir daraus einen Standard machen können. Grundsätzlich kann man sagen, dass wir zwei Aspekte zusammenbringen: Ambitionierte Stadtentwicklung und Gebäudeentwicklung. Einige andere Städte wollen nur möglichst unkompliziert ihre Grundstücke verkaufen.

Herr Fieber, was hat der Investor von der Anhandgabe?

Fieber: Der für uns größte Vorteil des Anhandgabe-Verfahrens besteht sicherlich darin, dass es uns Planungssicherheit gibt. Zudem können wir vorab bereits bestimmte Aufgaben erfüllen, wie zum Beispiel Bodenprüfungen durchführen. Das sind Schritte, die wir bei einem herkömmlichen Auftragsverfahren nicht vorab machen würden. Der Rahmen für Projekte wird dadurch verlässlicher, die Fristen sind klar definiert. Ziel ist es, einen Standort attraktiv zu gestalten und Grundstücksspekulationen zu vermeiden.

Was kostet Sie als Unternehmen dieses Verfahren?

Fieber: Die Dauer der Anhandgabe beträgt in der Regel 18 Monate und die Stadt erhebt eine Optionsgebühr von einem Prozent des Kaufpreises, den wir vorher determinieren.

Drohen nicht rechtliche Auseinandersetzungen?

Bruns-Berentelg: Das wird in anderen Städten gerne mal behauptet. Aber es hat in den fast 16 Jahren, in denen die Anhandgabe in der HafenCity angewandt wird, keine einzige Klage gegeben. Die Kritiker:innen möchten das aber nicht wahrhaben.

Fieber: Wir haben die HafenCity Hamburg stets als harten, aber fairen und vor allem verlässlichen Verhandlungspartner kennengelernt. Die Risiken, die entstehen können, haben nichts mit der HafenCity zu tun, sondern mit marktwirtschaftlichem Geschehen, wie zum Beispiel einem Anstieg der Baukosten.

Wie beurteilen Sie denn aus Unternehmersicht das Anhandgabeverfahren?

Fieber: Ich bewerte es als echtes Erfolgsmodell. Es ist eine gute Methode, um Unternehmer:innen durch die Stadt aktiv und unterstützend zu begleiten. Man darf ja nicht vergessen, dass man bei großen Bauprojekten leicht auf Vorlaufkosten von mehreren Millionen Euro kommt. Wenn man relativ klare Richtlinien bekommt, was die Stadt sich von der Fläche, der Kubatur und so weiter erwartet, ist das ein großer Vorteil. Vom Konzept her ist die Anhandgabe in meinen Augen ein Standortvorteil für Hamburg.

Nutzen auch andere Städte die Anhandgabe?

Bruns-Berentelg: Meines Wissens nicht oder zumindest nicht durchgehend. Aber vielleicht ändert sich das ja nach diesem Interview.

30. Apr 2025

|

Gesellschaft

Eine benutzerfreundliche Infrastruktur ist ein Muss für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland – mit Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM)

![Christian Heep Vize-Präsident BEM Bundesverband eMobilität -Online.JPG](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christian_Heep_Vize_Praesident_BEM_Bundesverband_e_Mobilitaet_Online_14b581b45a.JPG) ``` Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM) ``` **Welche strategischen Bereiche stehen derzeit im Fokus des BEM?** Wir setzen auf die systemische Transformation des Mobilitätssektors. Dabei liegt unser Augenmerk auf dem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Verknüpfung mit erneuerbaren Energien, klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. **Wie gestaltet sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur?** Ein leistungsfähiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität. Wir fördern eine interoperable und benutzerfreundliche Infrastruktur, die intelligente Netzintegration, bidirektionales Laden und Speicherlösungen umfasst. Bestehende Tankstellen sollen als multifunktionale Energiehubs umgerüstet werden. **In welcher Verbindung stehen E-Mobilität und erneuerbare Energien?** Elektromobilität ist nur dann nachhaltig, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt. Daher muss eine direkte Verbindung zwischen Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien geschaffen werden – unterstützt durch intelligente Netzsteuerung, lokale Erzeugung und Speicherlösungen. Regulatorische Anreize sollen Betreibende und Nutzende dazu motivieren, verstärkt Grünstrom zu verwenden. >Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. **Welche Rolle spielt die Verkehrswende im Klimaschutz?** Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Neben der Elektrifizierung des Straßenverkehrs setzen wir auf multimodale Verkehrskonzepte und die effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. **Wie trägt E-Mobilität zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei?** Der Übergang zur Elektromobilität bietet Deutschland die Chance, sich von fossilen Technologien zu lösen und in Zukunftsbranchen zu investieren. Wichtige Bereiche sind hier die Forschung, Entwicklung und Produktion von Batterien, Ladeinfrastruktur und digitalen Mobilitätsdiensten – essenziell, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. **Ist staatliche Förderung noch notwendig?** Ja, staatliche Förderungen bleiben essenziell, müssen aber zielgerichtet, degressiv und langfristig ausgerichtet sein. Sie sollen den Markthochlauf, den Infrastrukturausbau und die Forschung unterstützen – während gleichzeitig Subventionen für fossile Kraftstoffe reduziert werden müssen. >Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. **Wie sollten staatliche Fördermaßnahmen gestaltet sein?** Es braucht eine Förderpolitik, die die Transformation gesamtheitlich betrachtet: Infrastruktur, Fahrzeugflotten, Speichertechnologien und Netzintegration. Gleichzeitig müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden, etwa bei Netzentgelten oder Abgaben auf Eigenstromnutzung. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und politischer Lenkungswirkung sind sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Förderungen notwendig. Jeder investierte Euro zahlt sich langfristig aus, indem er Innovationskraft, Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Klimaschutz sichert. **Wie bewertet der BEM die erhöhten Zölle auf chinesische Elektroautos?** Protektionismus ist kein zielführender Ansatz. Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. ## Factbox: **Christian Heep ist Vorstand beim BEM** und leitet Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Politik, Messen und Events. Seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und Elektromobilität inspiriert ihn zu innovativen Projekten für eine nachhaltige Mobilität.