20. Sep 2022
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Gesellschaft
Journalist: Armin Fuhrer
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Foto: Stefan Groenveld
Hamburgs neuer Stadtteil Grasbrook soll sich durch kurze Wege auszeichnen, berichtet Andreas Kleinau, von der HafenCity Hamburg GmbH.
Herr Kleinau, die HafenCity Hamburg GmbH plant ein völlig neues Viertel mit dem Namen Grasbrook. Können Sie etwas darüber erzählen, welche Bedeutung es hat?
Der Grasbrook wird der Sprung der Hamburger Innenstadt nach Süden über die Elbe sein. Dort liegen die Stadtteile Veddel und Wilhelmsburg, aber wer von auswärts nach Hamburg kommt, hat erst, wenn er über die Elbbrücken gefahren ist, wirklich das Gefühl, in der Stadt zu sein. Der neue Stadtteil Grasbrook soll daher die Nachbarschaft zu diesen bestehenden Vierteln stärken.
Der Bau eines völlig neuen Quartiers bietet die Möglichkeit, alles neu zu gestalten. Wird diese Chance genutzt?
Auf jeden Fall. Wir haben einen sehr umfangreichen Beteiligungsprozess durchgeführt und sehr viele Akteure und Stakeholder gebeten, sich Gedanken zum neuen Stadtteil zu machen. Die Ideen haben wir systematisch gesammelt und mit den Erfahrungen kombiniert, die wir bei anderen Stadtentwicklungsprojekten gesammelt haben. Dabei stand für uns die Frage im Mittelpunkt, was wir als lebenswerte Stadt identifizieren.
Was gehört beispielsweise dazu?
Sehr wichtig ist die Frage eines modernen Mobilitätskonzepts. Im 20. Jahrhundert stand bei Stadtplanungen außer Frage, dass man mit seinem individuellen Fahrzeug von A nach B kommen und das Recht haben muss, es irgendwo zu platzieren. Das wird auf dem Grasbrook komplett anders sein. Die kurzen Wege werden zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Eine große Bedeutung hat die sehr leistungsfähige Anbindung an das öffentliche Nahverkehrsnetz. Deshalb wird auch die U-Bahn verlängert und erhält auf dem Grasbrook eine neue Haltestelle. Ebenso gehört ein gut ausgebautes Netz von sicheren Fahrradwegen dazu.
Und wo bleibt das Auto?
Innerhalb des Quartiers wird niemand mehr ein eigenes Auto benötigen. Die Anwohnerinnen und Anwohner werden sich mit dem Auto nur aus dem Quartier heraus bewegen, wenn sie darauf angewiesen sind. Da es aber natürlich Menschen gibt, die auf ihr Auto nicht verzichten können, wird es eine zentrale Tiefgarage geben, die man sehr schnell nach der Einfahrt in das Quartier erreicht. In Grasbrook müssen wir aufgrund der Hochwassergefahr ohnehin das Gelände nach dem „Warftprinzip“ anheben, anstatt einen Deich zu bauen, sodass wir das entstehende Untergeschoss für den Bau der Tiefgarage nutzen können. In den meisten Fällen wird aber auch die „letzte Meile“ vom Park- zum Wohnort ohne das Auto zurückgelegt werden.
Dieses Konzept gibt uns die Möglichkeit, Räume anders zu verteilen als bisher. Straßen werden zu Lebensräumen, in dem man sich aufhalten kann. Auch die öffentlichen und privaten Grünräume werden eine große Bedeutung haben. Im Zentrum des Stadtteils wird ein großer Park entstehen.
Und was ist mit dem Lieferverkehr?
Wir denken gerade sehr intensiv über ein Logistikkonzept innerhalb des Quartiers nach. Denn die Möglichkeit von Warenlieferungen muss ebenso gegeben sein, wie die Belieferung der Geschäfte. Um Umzüge und ähnliches bewerkstelligen zu können, soll es ein verpflichtendes Angebot für Carsharing geben. Auch über Mobilitätshubs denken wir nach.
Beinhaltet das Konzept auch eine Art geschlossener Infrastruktur?
Die Menschen, die auf dem Grasbrook leben, werden sich nach dem Prinzip des „10-Minuten-Stadtteils“ im Viertel mit allem versorgen können, was sie für das alltägliche Leben benötigen. Und der Raum wird so gestaltet sein, dass sie in ihrem Stadtteil leben und arbeiten können. Der Grasbrook wird ein Viertel der kurzen Wege sein, denn es bietet alle wesentlichen Funktionen.
Wie sieht es mit der digitalen Infrastruktur aus?
Wir benötigen im gewerblichen und privaten Bereich hochleistungsfähige Netze, eine intelligente Steuerung und smarte Gebäude mit hochmoderner Haustechnik. Das ist auch aus Gründen der Nachhaltigkeit wichtig. Derzeit sprechen wir mit den Versorgern über einen Medienkanal, in dem alle Medien zugänglich liegen, so dass das Einbringen, Austauschen und Instandsetzen unkompliziert vollzogen werden können.
Ist ihr Ziel ein CO2-neutraler Stadtteil?
Das hätten wir gerne, aber ganz werden wir das nicht hinbekommen. Das liegt beispielsweise daran, dass wir aufgrund der Hochwasser-Gefahr im Gebiet des Grasbrooks Kaimauern sanieren bzw. neu bauen müssen, für die wir keine nachhaltigen Baumaterialien verwenden können. Bei den Hochbauten dagegen ist CO2-neutrales Bauen eine Vorbedingung für die Bauherrn – und das gilt nicht nur für den Bau, sondern auch für den Betrieb. Das ist unsere Verantwortung, die wir gegenüber der Gesellschaft haben.