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28. Mai 2020

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Lifestyle

Eine Krise bietet neue Chancen

Journalist: Philipp Hengstenberg

Die Ausbreitung des Coronavirus verlangt unserer Gesellschaft mehr ab, als sich viele von uns jemals hätten vorstellen können. Der Supermarkt war lange der einzige Ort, bei dem wir auf andere Menschen außerhalb des eigenen Haushalts trafen. Anfangs philosophierte man nur über das Phänomen der Hamsterkäufe, dann fing es mit den Sicherheitsvorkehrungen für den Gesundheitsschutz an.

Bis auf ganz wenige Ausnahmen haben sich alle schnell an neue Vorgaben gewöhnt, denn unsere Gesellschaft hat erkannt, dass wir uns und andere schützen müssen, damit wir gemeinsam diese Krise meistern können. Und wir haben erkannt, dass wir uns auch auf die Lebensmittelbranche verlassen können und die Lebensmittelversorgung sichergestellt ist. Die gesamte Lebensmittelwertschöpfungskette arbeitet unter Hochdruck, um Rohstoffe zu liefern, zu verarbeiten und in die Regale zu bringen. 5,7 Millionen Menschen sind das allein in Deutschland, die sich zurzeit in höchst unterschiedlichen Situationen befinden – beispielsweise in Kurzarbeit. Auch genau das Gegenteil ist der Fall: Extra-Schichten und Arbeiten an der Belastungsgrenze, um der erhöhten Lebensmittelnachfrage gerecht zu werden. Und damit das funktioniert, sind viele Anstrengungen und ein Umdenken nötig. Bis vor ein paar Wochen waren die größten Herausforderungen für die Wirtschaft das Fortschreiten der Globalisierung, der Umgang mit der Digitalisierung und natürlich die Auswirkungen des Klimawandels. Jetzt kommen die wirtschaftlichen Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie hinzu, die vor allem kleinere Betriebe teilweise hart getroffen haben.

Die Lebensmittelwirtschaft hatte nicht nur innerhalb kürzester Zeit logistische Aufgaben zu bewältigen, plötzlich wird uns auch bewusst, dass es viele Schlüsselpositionen gibt, die nicht durch Maschinen ersetzt werden können. Auf denen Menschen arbeiten, die dafür sorgen, dass der „Laden läuft“. Und diese Menschen haben viel zu selten die Wertschätzung bekommen, die sie verdienen, denn ohne sie geht es nicht. Gleichzeitig führt uns die Pandemie vor Augen, dass wir weltweit aufeinander angewiesen sind. Ja, Deutschland hat einen hohen Selbstversorgungsgrad bei bestimmten Grundnahrungsmitteln. Aber schon bei Obst und Gemüse sieht es anders aus. Hier sind wir nicht nur bei exotischen Sorten von Importen abhängig. Rohstoffe und Zutaten für zusammengesetzte Produkte kommen aus den unterschiedlichsten Ländern. Unsere Lebensmittelvielfalt ist ein Ausdruck der Globalisierung und endet nicht an Ländergrenzen. Diese Krise wird nicht spurlos an der Welt vorüberziehen. Auch wir als Lebensmittelwirtschaft werden vieles neu bewerten müssen.

Philipp Hengstenberg, Präsident Lebensmittelverband Deutschland