14. Dez 2020
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Gesellschaft
Journalist: Dr. Johannes Bergmair
Machen Sie den Versuch und outen sich in geselliger Runde (sobald das Virus es wieder zulässt) als VerpackungsexpertIn. Erst werden Sie erstaunte Blick ernten – ganz nach dem Motto: „Ach, sowas gibt’s auch?“ Dann kommen Sie nicht unter einer Stunde Diskussionszeit davon: „Warum geht die Verpackung so schwer auf? Was haben die sich bei der Neugestaltung gedacht? Ich kann das nicht lesen! Was ist jetzt besser, Glasflasche oder Aludose? Das viele Plastik im Meer! Überhaupt viel zu viel Verpackung!“ Die Situation ist ein bisschen wie beim Fußball – alle sind Trainer und wüssten, wie es besser geht.
Denken wir positiv. Ist ja schön, wenn sich so viele mit unserem Thema Verpackung beschäftigen! Verpackung sieht einfach aus – ist sie aber nicht. Bedenken Sie die Vielfalt der Materialien: Papier/Karton/(Well-)Pappe, die unzähligen Kunststoffe, Glas, Metalle, Holz, Kork und einige andere (Natur-)Stoffe. Diese Vielfalt führt zu einer Besonderheit der Verpackungsbranche: Sie ist nicht sehr gut organisiert, weil man sich als Verpackungshersteller eher dem verarbeiteten Material, denn dem Thema Verpackung an sich verpflichtet fühlt.
Gerne wird vergessen: Verpackung ist kein Selbstzweck. Eine Verpackung hat immer nur dann einen Sinn, wenn sie Füllgut umschließt. Das klingt wieder so einfach – aber genau da setzen viele aktuelle Problematiken an: Es wird viel über den ökologischen Fußabdruck diskutiert. Der lässt sich bei seriöser Betrachtung nur in Zusammenhang mit dem Füllgut bestimmen. Die Frage, ob Glas- oder PET-Falschen ökologisch sinnvoller sind, hängt z. B. davon ab, welches Getränk es ist und wie es abgefüllt wird, ob es einen Erhitzungs-prozess gibt, wie die Logistik abläuft, wie lange es haltbar sein soll, wie und wo es konsumiert wird und welche Sammel- und Recyclingverfahren es am Ort des Verbrauches gibt. In dieser Aufzäh-lung versteckt sich die, neben der Materialvielfalt, zweite Dimension der Verpackungskomplexität: Die vielfältigen Funktionen einer Verpackung, die da wären: Schutz, Ermöglichung von Lagerung/Umschlag/Transport der Waren, Information und Kommunikation, Convenience – also die Verbrauchsfreundlichkeit sowie effizientes Abpacken/Füllen. Das alles unter einen Hut zu bekommen ist eine tägliche Herausforderung. „Täglich“ ist dabei keine Floskel. Die Anforderungen an Verpackungen ändern sich ständig. Verpackungssysteme, die jahrelang in bestimmten Märkten funktioniert haben, verschwinden rascher als je für möglich gehalten. Mein Lieblingsbeispiel hier: Korkverschluss für Weinflaschen. Noch vor fünf Jahren waren alle überzeugt, dass hochqualitative Weine ohne „Korkstoppel“ keine Chance am Markt hätten. Innerhalb von zwei Jahren drehte sich diese Realität vollständig. Heute werden in Österreich 90 % der Weißweine mit Schraubverschluss angeboten. Wenn man den Winzern glaubt, qualitativ sogar mit Gewinn.