Diesen Artikel teilen:

4. Mär 2022

|

Business

Erdgas und Erdöl weiter unverzichtbar

Journalist: Katja Deutsch

|

Foto: Presse, Robert Linder/Marcin Jozwiak/unsplash

Noch immer wird der Energiebedarf in Deutschland zu rund 60 Prozent aus Erdgas und Erdöl gedeckt. Das betrifft nicht nur die Stromerzeugung, sondern auch den W rme- und Transportsektor, die chemische Industrie und die Produktion von Kunststoffen, Kleidung, Medizin und Möbeln.

ludwig-mo-hring-bveg-300dpi-m.jpg

Dr. Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG)

Der Großteil unserer benötigten Öl- und Gasmengen wird importiert. Nur etwa sechs Prozent des Erdgasbedarfs und zwei Prozent des Erdölbedarfs werden in Deutschland gefördert, besonders in Niedersachsen, wo rund 96 Prozent des produzierten Erdgases und etwa 31 Prozent des produzierten Erdöls herkommen. „Die heimische Förderung erhöht die Versorgungssicherheit und hat insgesamt einen geringeren CO2-Fußabdruck als die Importmengen, die über weite Strecken zu uns gebracht werden müssen“, sagt Dr. Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG).

„Klimaschutz spricht für heimische Produktion, denn heimische Förderung vermeidet Importe über große Entfernungen. Die Förderindustrie im Land sorgt seit vielen Jahren für eine zuverlässige und umweltverträgliche Produktion der beiden Rohstoffe.“

Die Nutzung von Erdöl und Erdgas kann aber auch nachhaltiger erfolgen, beispielsweise durch die Abspaltung des bei der Verbrennung von Erdgas freiwerdenden CO2, das dann als Rohstoff genutzt oder in unterirdischen Lagerstätten eingelagert (CCUS) wird. Erdgas kann für die (klimaneutrale) Herstellung von Wasserstoff eingesetzt werden.

„Für die Energieerzeugung werden auch in Zukunft große Mengen der beiden Rohstoffe erforderlich sein. Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Erdgas und Erdöl bleiben deshalb noch für viele Jahre sehr wichtige Komponenten einer erfolgreichen Energie- und Klimapolitik.“

Als Alternative eignet sich Wasserstoff, der bereits bei vielen industriellen Prozessen zum Einsatz kommt. Doch nur klimaneutraler Wasserstoff führt auch zur Dekarbonisierung. „Grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien steht hier im Mittelpunkt, insbesondere in der deutschen Politik“, sagt Dr. Möhring. „Doch bisher ist erneuerbarer Strom ein eher knappes Gut.

Es geht also bei grünem Wasserstoff um die Nutzung von sogenannten Überschussstrom, der anderweitig als Strom nicht genutzt werden kann. Dank Windund Sonnenstrom gibt es davon mittlerweile eine ganze Menge, aber lange noch nicht ausreichend, um die notwendigen Kapazitäten zu schaffen, ganz abgesehen von den Kosten.“ Für den Umbau der produzierenden Industrien wird verlässlich ausreichend klimaneutraler, bezahlbarer Wasserstoff benötigt.

Der Experte plädiert deshalb für eine integrierte Wasserstoff-Strategie, die jede Form von klimaneutraler Wasserstofferzeugung berücksichtigt, wobei regulatorisch für Vorfahrt für grünen Wasserstoff gesorgt werden kann.

27. Jun 2025

|

Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Span-nungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Be-schaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulie-ren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Her-steller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Statt-dessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbe-stände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen ge-meinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in en-ger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wie-derum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Aus-wahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lie-ferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lie-ferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, so-zial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne ge-zahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entspre-chend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichte-ten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemein-sam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Part-nerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zu-sammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Info-tainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim au-tonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vor-standsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Management-karriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldti-mer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Aus-flüge mit ihrem Hund in die Natur.