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6. Aug 2020

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Gesundheit

Experten zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems und Datensicherheit

Journalist: Armin Fuhrer

Sechs Expertinnen und Experten äußern sich zu der aktuellen Lage und wagen einen Blick in die Zukunft.

Henrik Emmert, Leiter Arbeitskreis Erstattung beim Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung, Foto: Presse

Unser Chance für Digital Health „Made in Germany“

Wer sich bei uns ins Gesundheitssystem begibt, versteht schnell, warum Deutschland in Sachen Digitalisierung inzwischen auch weit über seine Grenzen hinaus als Nachzügler gilt. 

Nun hat der Corona-Ausbruch breite Teile der Bevölkerung ins Homeoffice gezwungen. Wir wissen jetzt, dass Krankschreibungen und medizinische Betreuung über digitale Kanäle möglich sind. Um eine Pandemie unter Kontrolle zu bringen, sind vertrauenswürdige Technologien Teil der Lösung. Mehr als zehn Millionen Downloads der Coro-na-App zeigen, wie sehr digitale Anwendungen von den Bürgern akzeptiert und sogar gefordert werden.  

Nie zuvor wurde die Digitalisierung des Gesundheitswesens von allen Beteiligten im System so stark vorangetrieben. Entscheidend für den Erfolg digitaler Gesundheitsanwendungen ist, den klaren Nutzen für Ärzte und Patienten aufzuzeigen und die „App auf Rezept“ sinnvoll in den Versorgungsalltag zu integrieren. Wo Technologie einen sichtbaren Mehrwert leistet und gleichzeitig Persönlichkeitsrechte in hohem Maße schützt, entstehen tragfähige und weithin akzeptierte Lösungen – eine Chance für Digital Health „Made in Germany“.


PD Dr. med. Dominik Pförringer, Orthopäde, Unfallchirurg und Gründer von www.MakeHealthDigital.com, Foto: PicturePeople Fotostudios

Digitalisierung ergänzt den Arzt 

Digitalisierung im Gesundheitswesen stellt keinen Selbstzweck dar. Die Digitalisierung ist das moderne Mittel zum Zweck, eine neue Darreichungsform für Patienten und Arzt, für Medizintechnik und die Pharma-Branche. An der Digitalisierung führt kein Weg vorbei, sie bietet den modernen Co-Piloten für den intelligenten und innovativen Arzt. Ärzte, die sich heute der Digitalisierung in den Weg stellen, schaffen sich morgen selbst ab. Digitalisierung ersetzt den Arzt nicht, sondern ergänzt ihn. Nicht nur KI, also künstliche Intelligenz, auch die AI, also Augmentierte Intelligenz, ist die Herangehensweise der Zukunft: Die Empathie des Arztes, seine Erfahrung, seine Intuition in Kombination mit großen Datenmengen und Algorithmen wirken zusammen im Interesse des Patienten. Die Digitalisierung wird dem Arzt redundante bürokratische Aufgaben abnehmen und die Dokumentation erleichtern, hierfür gibt es inzwischen eine intelligente Software, die dem Arzt hilft, Zeit zu sparen, die er dann für den Patienten hat. Vom 25. bis 27. November findet der Digital Health Summit www.DigitalHealthSummit.de in München statt, auf dem viele spannende Themen rund um die Digitalisierung vorgestellt werden.


Natalie Gladkov, Referentin Digitale Medizinprodukte beim Bundesverband Medizintechnologie  – BVMed, Berlin, Foto: Presse

Daten im Mittelpunkt 

Die Auswertung von Gesundheitsdaten stellt eine Kernressource der medizinischen Versorgung dar. Die Digitalisierung macht es möglich, medizinische und versorgungsrelevante Daten in großem Umfang zu erheben, zusammenzubringen und auszuwerten. Das hat große Potenziale für die Ausgestaltung von Behandlungs- und Versorgungspfaden, die Optimierung von Produkten und die Entwicklung von innovativen Lösungen.Mit der Gründung eines Forschungsdatenzentrums und der Einbindung der Daten aus der elektronischen Patientenakte hat der Gesetzgeber diesbezüglich die ersten Meilensteine für die Datennutzung gesetzt. Hinsichtlich der Zugriffsberechtigungen bleibt jedoch den Unternehmen der industriellen Gesundheitswirtschaft, die einen besonderen Anteil an der Forschung und Entwicklung von neuen medizinischen Lösungen haben, ein adäquater Zugang zu Daten verwehrt. Zusätzlich sollten Daten zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar sein. So verlangsamt beispielsweise der Mangel an Harmonisierung die Einrichtung europa-weiter Forschungsinitiativen. Sowohl auf nationaler als auch auf der EU-Ebene sind Lösungen gefragt. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ist hier ein guter Anlass für Verbesserungen. 


Prof. Dr. Jochen A. Werner, Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor der Universitätsmedizin Essen, Foto: Presse 

Demut statt Übermut 

Der bislang milde Verlauf der Pandemie in Deutschland erfordert Demut statt Übermut. Wir hatten die Bilder aus Italien vor Augen, hinzu kamen die noch rechtzeitig von der Politik getroffenen Maß-nahmen. Zudem zehrten wir von der Substanz, von gut ausgebildeten Ärzten und Pflegekräften, von vollen Kassen sowie einer vergleichsweise gut ausgebauten Infrastruktur. Daneben aber wurden die Defizite im System zunehmend unübersehbar. Die mangelnde Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen, der Pflegenotstand und sich abzeichnende Finanzierungsengpässe erfordern jetzt eine mutige und durchgreifende Umgestaltung des Gesundheitssystems. Einer umfassenden Digitalisierung kommt dabei die Schlüsselrolle zu. Nur über Digitalisierung, Effizienzsteigerung und Optimierung von Prozessen und Strukturen wird das Gesundheitswesen dem steigenden Kostendruck standhalten. Nur mit einer tiefgreifenden Digitalisierung werden wir den medizinischen Fortschritt reibungslos zu den Patienten bringen. Und nur mit Digitalisierung und Entlastung der im Gesundheitswesen arbeitenden Menschen können wir eine humane und empathische Zukunftsmedizin realisieren. Wir müssen jetzt handeln und das historische Momentum der Coronakrise nutzen, um unser Gesundheitssystem grundlegend zu restrukturieren und zu digitalisieren.


Ariane Schenk, Referentin Health & Pharma beim Verband Bitkom, Foto: Presse 

Vorteile für alle

Die Zukunft der Gesundheitsversorgung ist digital. Die Corona-Pandemie hat das auch in Deutschland einmal mehr gezeigt – nicht nur mit der Einführung der Corona-Warn-App, sondern vor allem auch im telemedizinischen Bereich. Innerhalb weniger Wochen und Monate während der Krise wurde mehr erreicht als in den vergangenen Jahren: Video-Sprechstunden und Tele-Monitoring wurden und werden in einer steigenden Anzahl von Praxen eingesetzt, was nicht nur die Patienten und das medizinische Personal vor Ansteckung schützt, sondern auch den administrativen Aufwand der Ärzte insgesamt senkt.Aktuell ist die Nachfrage bei Patienten, Ärzten und Psychotherapeuten hoch wie nie. Das zeigt auch eine repräsentative Studie des Bitkom, nach der 66 Prozent der Menschen in Deutschland der Ansicht sind, dass Ärzte Video-Sprechstunden anbieten sollten. Im Frühjahr 2019, also ein Jahr vor der Krise, konnten sich dagegen erst 30 Prozent der befragten Personen die Teilnahme an einer solchen Video-Sprechstunde vorstellen. Die Erfahrung der vergangenen Monate zeigt: Patienten, Ärzte, Pflegende – sie alle können von der Digitalisierung profitieren. Jetzt müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die digitalen Möglichkeiten in die Praxen, Kliniken und zu den Patienten zu bringen.


Marcel Weigand, Leiter Kooperationen und digitale Transformation, Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), Foto: Presse

Sprung nach vorne 

Durch die Corona-Pandemie und viele neue Gesetze hat die Digitalisierung im Gesundheitswesen endlich an Fahrt aufgenommen. Die sprunghafte Zunahme an Videosprechstunden und die Apps auf Rezept ab Herbst sind zwei Beispiele hierfür.Die Königsdisziplin unter den digitalen Anwendungen ist jedoch die elektronische Patientenakte (ePA). Die ePA hat das Potential, zahlreiche Versorgungsprobleme zu verbessern und Patienten in eine deutlich souveränere Rolle zu versetzen. Untersuchungen aus anderen Ländern zeigen: Es kommt zu weniger Medikationsfehlern sowie Doppeluntersuchungen und Ärzte orientieren sich stärker an Leitlinien. Zudem erhalten Patienten Einblick in alle Befunde und Berichte, was trotz Patientenrechtegesetz bis heute keine Selbstverständlichkeit ist. Damit die ePA funktioniert, sind jedoch zwei Dinge entscheidend. Erstens: Patienten sowie Therapeuten und Pflegekräfte sollten sie nutzen. Denn der Nutzen entsteht mit der Nutzung. Zweitens: Um eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu fördern, benötigen wir eine konzertierte Aktion aus Aufklärungskampagnen, Weiterbildungs- und Unterstützungsangeboten. Ältere und digital unerfahrene Menschen dürfen nicht abgehängt werden. 

24. Sep 2025

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Gesundheit

Bunt ist frauengesund – mit Dr. Silja Schäfer

![SiljaSchäfer_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Silja_Schaefer_online_b0806d2908.jpg) ```Dr. Silja Schäfer, Hausärztin und Ernährungsmedizinerin``` **Frau Schäfer, dass die Ernährung allgemein zum Großteil aus Obst, Gemüse und Ballaststoffen bestehen sollte, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Wie jedoch können Frauen ihre Gesundheit besonders gut fördern?** Indem sie vor allem auf eine stimmige Basis achten. Wichtig ist eine ausgewogene, pflanzenorientierte Ernährungsweise mit wenig tierischen Anteilen, ebenso eine gute Tagesstruktur beim Essen. Das Motto sollte sein „Eat the rainbow“. Das bedeutet, dass wir Lebensmittel in allen Farben zu uns nehmen sollten. Wer das berücksichtigt, darf auch gern etwas zyklusorientiert essen und sich zum Beispiel während der Periode mal Schokolade oder ein Stück Kuchen gönnen, wenn das Bedürfnis da ist. **Wie stehen Sie zu Nahrungsergänzungsmitteln?** Supplemente sind da sinnvoll, wo sie benötigt werden. Bei jungen Frauen mit starker Blutung etwa ist es manchmal notwendig, Eisen zuzuführen. Wer die Pille nimmt oder auch viel Stress hat, zum Beispiel durch Kleinkinder im Haushalt, der hat oft ein einen verstärkten Bedarf an B-Vitaminen. Im Winter herrscht bei sehr vielen Frauen ein Vitamin-D-Mangel. Allerdings sollte man die Notwendigkeit für Zusatzvitamine zuerst einmal beim Hausarzt abklären und sie nicht einfach nach dem Gießkannenprinzip verteilen. Ein Zuviel an Nahrungsergänzungsmitteln kann auch schaden. Und auch hier gilt: Die allgemeine Ernährung muss ausgewogen sein. Wer drei Burger im Fast-Food-Restaurant isst und denkt, sich dann mit einer Multivitamintablette als Ausgleich etwas Gutes zu tun, liegt leider falsch. **Wie verändert sich die Ernährung in den Wechseljahren?** Die Wechseljahre bedeuten Umschwung. Die Muskulatur wird weniger, wenn man sie nicht trainiert, und der Grundumsatz sinkt. Diese Voraussetzungen führen bei vielen Frauen zu Übergewicht und ungesundem Bauchfett. Das ist oft der Beginn zukünftiger Krankheiten. Deshalb ist es wichtig, die Ernährung so einzustellen, dass man gar nicht erst ins Übergewicht kommt. Das klappt unter anderem durch regelmäßige, ausgewogene Mahlzeiten und auch mal mehrstündigen Essenspausen zwischendurch. >Wichtig ist eine ausgewogene, pflanzenorientierte Ernährungsweise mit wenig tierischen Anteilen, ebenso eine gute Tagesstruktur beim Essen. **Was können Frauen tun, wenn sie merken, dass in den 40ern die Hormone abfallen?** In den Wechseljahren nimmt erst das Progesteron, etwas später dann Östrogen, immer weiter ab. Frauen sollten jetzt darauf achten, genug Proteine zu sich zu nehmen, etwa aus Hülsenfrüchten wie Kichererbsen und Bohnen. Zucker stört den Hormonhaushalt zusätzlich und sollte so gut wie möglich gemieden werden. Wichtig ist auch: Der Mythos „Fett macht fett“ ist falsch. Gesunde Fette sind wichtig für uns Frauen. Olivenöl, Leinöl, Fisch und Algen sollten regelmäßig auf dem Speiseplan stehen und helfen ebenfalls, gut durch die Wechseljahre zu kommen. Wer vermehrt Probleme mit dem Hormonumschwung hat, kann fermentiertes Soja ausprobieren, am besten in Form von Misopaste oder Tempeh.