Diesen Artikel teilen:

2. Sep 2022

|

Gesellschaft

Fachkräftemangel – Was hilft?

Journalist: Thomas Soltau

|

Foto: Dylan Nolte/unsplash; Presse

In den nächsten Jahren werden Millionen an Fachkräften fehlen. Drei Experten antworten auf eine Frage: 

Der Fachkräftemangel macht sich jetzt schon bemerkbar und er wird noch zunehmen. Welche Wege führen aus der Krise?

rausch-peter-adg-online.jpg

Peter Rausch, Vorstand Akademie Deutscher Genossenschaften

Foto: Presse/ADG

Volkswirtschaftlich gesehen sind die Mobilisierung von Frauen durch eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Integration eingewanderter Menschen, die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer bis zum rechnerischen Renteneintrittsalter sowie die Intensivierung von Aus- und Weiterbildung sinnvolle Schritte aus der Krise.

Unternehmen selbst haben zahlreiche Möglichkeiten, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Akademie Deutscher Genossenschaften hat dazu ein praxisorientiertes Modell mit dem Schwerpunkt „Neues Arbeiten“ entwickelt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die Veränderung des Mindsets auf Unternehmensebene.

So sollten Arbeitgeber zur Bindung von Beschäftigten flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten anbieten und eine ausgewogene Work-Life-Balance ermöglichen. Die Gestaltung der Arbeitsplätze mit Kreativräumen und Ruhezonen, eine professionelle IT-Ausstattung sowie Weiterbildungs- und Gesundheitsangebote stärken ebenfalls die Bindung der Mitarbeitenden.

Flache Hierarchien geben den Beschäftigten mehr Verantwortung und führen zu höherer Zufriedenheit. Das Gehaltsgefüge sollte angemessen sein, doch das Argument „sicherer Arbeitsplatz“ spielt eine noch größere Rolle – das haben die Erfahrungen aus der Corona-Krise gezeigt.

Vernetzt und zusammengeführt in einem professionellen Employer Branding kann mit den beschriebenen Dimensionen die Arbeitgeberattraktivität langfristig gesteigert und dem Fachkräftemangel aktiv, nachhaltig und erfolgreich begegnet werden.

natalya-nepomnyashcha-2-online.jpg

Natalya Nepomnyashcha, Gründerin und Geschäftsführerin, Netzwerk Chancen

Foto: Presse

Unternehmen müssen sich für Talente öffnen, an denen sie bisher wenig Interesse hatten: Menschen mit ungeraden Lebensläufen und besonderen Geschichten, aber auch Quereinsteiger*innen. Nicht jede*r hat ein Studium abgeschlossen, das perfekt zum Aufgabenfeld passt. Viele haben gar nicht studiert. Hier ist wichtig, dass Unternehmen weniger auf formale Qualifikationen achten, sondern sich eher fragen, welche Kompetenzen und Fähigkeiten jemand braucht, um einen bestimmten Job gut auszuführen. Ein weiterer wichtiger Faktor: Es wird Zeit, dass Unternehmen Diversität tatsächlich leben und sich nicht nur auf die Fahnen schreiben. Bunte Kampagnen sind super, wichtig ist aber, was Mitarbeitende, die anders sind als die Mehrheit, tagtäglich erleben. Müssen sie sich verstellen? Oder ist das Unternehmen so inklusiv, dass jede*r er*sie selbst sein kann? In jedem Fall gilt es offener für Neues und Unbekanntes zu werden und eine Arbeitskultur zu schaffen, in der sich jede*r wohlfühlen kann, egal, wie unterschiedlich die Menschen sind.

 markus-jerger-bvmw-img-3622-annemarie-thiede-online.jpg

Markus Jerger, Vorsitzender des Bundesverbandes Der Mittelstand (BVMW)

Foto: BVMW/Annemarie Thiede

Der Fachkräftemangel in Deutschland hat sich längst zu einem Arbeitskräftemangel ausgeweitet: Egal ob das Chaos an Flughäfen, geschlossene Restaurants oder das Warten auf den Handwerker – es fehlt qualifiziertes Personal über alle Branchen und alle Funktionen hinweg. Dabei war diese Katastrophe absehbar, die demografische Entwicklung seit Jahren bekannt. Doch anstatt zu handeln, wurde das Problem ausgesessen. Mit der Folge, dass jetzt die gesamte Wirtschaft betroffen ist. Allein im 2. Quartal gab es deutschlandweit 1,9 Millionen offene Stellen – fast jeder zweite Betrieb sucht. Gerade für den Mittelstand sind fehlende Arbeits- und Fachkräfte existenzbedrohend. Je kleiner eine Unternehmung ist, umso stärker wirken sich fehlende Kräfte aus. Und die nächsten Jahre zeigen keine Besserung: Bis 2036 geht ein Drittel der heute Erwerbstätigen in Rente.

Dieser Krise lässt sich daher nur mit einem deutlicheren Kurswechsel begegnen. Nicht nur, dass das hiesige Arbeitskräftepotenzial deutlicher ausgeschöpft werden muss, auch die Einwanderung von Fachkräften muss verbessert werden. Gefragt ist ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das wirklich funktioniert. Aktuell ist der bürokratische Aufwand zu hoch und die Anerkennung beruflicher Qualifikation zu praxisfern. Das kann Bundesminister Heil mit seiner angekündigten Reform des Einwanderungsrechts korrigieren. Es drängt. Aber auch die Bildungspolitik muss sich ändern: Es kann nicht sein, dass jedes Jahr immer mehr die Schulen ohne Abschluss verlassen. Auch erfordert der Fachkräftemangel in Handwerk und Produktion eine größere Aufmerksamkeit für die duale Ausbildung. Denn was wir brauchen, sind einfach wieder mehr Praktiker:innen.

9. Jul 2025

|

Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.