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12. Nov 2021

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Gesellschaft

„Finanzkompetenz ist Lebenskompetenz“

Journalist: Armin Fuhrer

Über Geld spricht man nicht? Doch, und zwar am besten in der Schule. Denn der Umgang damit ist schon für Kinder wichtig. Es gibt aber viel Nachholbedarf.

Jana Titov, Geschäftsführerin der finlit foundation; Foto: Presse

Dass die Schule die Kinder auf das Leben vorbereiten soll, klingt in der Theorie gut – nur die Praxis sieht leider oft anders aus. „Gerade die Kompetenzen, die für das Leben wichtig sind, kommen in der Schule leider oft zu kurz“, sagt Jana Titov von der gemeinnützigen finlit foundation. Und dazu gehört auch ein Thema, mit dem die Kinder jeden Tag in Berührung kommen: Der verantwortungsvolle Umgang mit Geld. 

„Finanzkompetenz ist Lebenskompetenz“, findet Titov. Da gibt es allerdings noch viel Luft nach oben. Nach einer Untersuchung der Schufa verfügen nur sieben Prozent der Jugendlichen über gute bis sehr gute Kenntnisse in den Bereichen Finanzwissen, -kompetenz sowie in ihrem persönlichen Finanzverhalten. Jede:r dritte Jugendliche gab an, große Defizite zu haben. „Das ist kein gutes Zeichen, denn es ist wichtig, frühzeitig über Geld zu spre-chen und das Thema zu enttabuisieren“, so Titov. Denn wer frühzeitig mit dem Thema in Berührung kommt, hat später weniger Hemmungen, damit umzugehen, zum Beispiel, wenn es um die Altersvorsorge geht. „Und nur der frühzeitig erlernte Umgang mit Geld sorgt dafür, dass Kinder sich zu selbstbewussten Verbraucherinnen und Verbrauchern entwickeln“, sagt Jana Titov. Doch leider gilt immer noch das Credo: Über Geld spricht man nicht.

Nur 22 Prozent der von der Schufa befragten Jugendlichen gaben an, in der Schule ausreichend mit dem Thema Geld in Berührung gekommen zu sein. Andererseits stößt das Thema auf großes Interesse, denn 92 Prozent der Befragten wünschten sich, dass ihnen darüber mehr in der Schule beigebracht wird. Deswegen hat sich die finlit foundation zum Ziel gesetzt, das zu ändern und setzt damit schon in der Grundschule ab Klasse 3 an.

Das Problem: Die Themen Geld und Finanzen stehen nicht per se auf dem Lehrplan. Wenn Lehrkräfte sich damit im Unterricht beschäftigen wollen, müssen sie es zusätzlich zu den anderen Themen machen. „Deswegen haben wir uns als erstes angeschaut, wo es in den Lehrplänen mögliche Anknüpfungspunkte gibt. Dabei eignet sich zum Beispiel das Thema Arbeitslosigkeit, das im Unterricht besprochen wird, sehr gut“, so Titov. Denn wenn es darum gehe, warum Menschen eigentlich arbeiten, nämlich um ein Einkommen zu erzielen, kann man im Unterricht auch fragen, wozu diese Arbeitseinkommen eigentlich wichtig sind. Aufgrund solcher Erkenntnisse erarbeiten die Expertinnen und Experten der finlit foundation crossmediales Unterrichts-material, das sich Lehrende kostenlos bestellen und modular in den Unterricht einbauen können.

Die Vermutung liegt nahe, dass Kinder aus sozial schwächeren Milieus eher mit Themen wie Verschuldung und Überschuldung ihrer Eltern in Berührung kommen und sich dieses Problem auf die nächste Generation überträgt. Doch das triff t nicht immer zu, so Titov: „Wir haben festgestellt, dass in den Haushalten, in denen weniger Geld zur Verfügung steht, oft auch bewusster damit umgegangen wird. Es wird viel häufiger darüber gesprochen, was Lebens-mittel oder Strom kosten, als in Haus-halten, in denen das keine so große Rolle spielt.“ Das heißt: Finanzbildung ist für alle Kinder – unabhängig ihres Elternhauses – gleichermaßen wichtig. Über Geld spricht man eben doch – und zwar am besten, dort, wo die Kinder für das Leben lernen sollten: In der Schule.