16. Mär 2023
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Gesundheit
Journalist: Kirsten Schwieger
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Foto: Doepfer
Warum Wirbelsäulenverformungen wie Skoliose und Kyphose so früh wie möglich korrigiert werden sollten, erklärt die Orthopädin Dr. Anna Katharina Doepfer.
Dr. Anna Katharina Doepfer, Orthopädin
Gibt es eigentlich ideal geformte Wirbelsäulen beziehungsweise ab wann sind Verformungen krankhaft?
Ja, es gibt schön geformte, gerade Wirbelsäulen. Die meisten Wirbelsäulen weisen jedoch kleinere, meist unbedenkliche Abweichungen auf. Ist die Wirbelsäule zur Seite hin „verbogen und verdreht“, spricht man ab einem Verkrümmungsgrad von 10 Grad von einer Skoliose. Eine unnatürliche Krümmung der Wirbelsäule nach vorne wird Kyphose (Rundrücken) genannt. Eine Röntgenuntersuchung gibt Aufschluss über die konkrete Diagnose.
Wie groß ist die Chance, dass sich Verformungen bei Kindern wieder verwachsen?
Das ist sehr abhängig von der Ursache. Mögliche Beinlängendifferenzen als Ursache können korrigiert werden. Skoliotische Fehlhaltungen unter 10 Grad können beobachtet werden und erfordern meist keine Intervention. Eine diagnostizierte idiopathische Skoliose, also ohne bekannte Grunderkrankung entstanden, verschwindet nicht von selbst. Dasselbe gilt auch für Kyphosen. Aber: Beide Fehlstellungen lassen sich im jungen Alter gut behandeln. Deswegen ist Früherkennung so wichtig!
Also besteht eher die Gefahr der Verschleppung?
Ja. Leider klafft zwischen der letzten U10/11-Kinderuntersuchung und der J1 eine Lücke von zwei bis vier Jahren. Eine Skoliose entsteht meist während Wachstumsphasen. Mädchen, welche deutlich häufiger von idiopathischer Skoliose betroffen sind, erleben kurz vor ihrer ersten Periode einen besonders großen Wachstumsschub. Ich habe schon ausgewachsene 14-jährige Mädchen in meiner Praxis gehabt – aus therapeutischer Sicht fast schon tragisch, denn je mehr Behandlungszeit bis zum Wachstumsabschluss existiert, desto erfolgversprechender ist die Therapie. Deren oberstes Ziel ist, die Krümmung bei Wachstumsabschluss so gering wie möglich zu halten.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Die Wahl der geeigneten Therapieform hängt, neben der Ursache und dem Schweregrad, vom Patientenalter und dem wahrscheinlichen Krankheitsverlauf ab. Bei milden Formen von Skoliose und Kyphose erzielt Physiotherapie gute Ergebnisse. Oft ist ab einem Krümmungswinkel von 20 Grad das Tragen eines Korsetts indiziert. Mit diesen beiden konservativen Methoden sollen Operationen primär vermieden werden. In manchen Fällen ist eine OP jedoch dennoch angeraten, um Folgeschäden oder Schmerzen zu reduzieren – auch bei Jugendlichen.
Was ist mit erwachsenen Patienten?
Wenn keine Grunderkrankungen die Verformung verursacht haben, leiden diese entweder unter den Folgen nicht korrigierter Verformungen im Kindesalter oder unter Verformungen aufgrund von altersbedingter Abnutzung, beziehungsweise einer Kombination von beiden. Ein Korsett (gebaut wie bei den Jugendlichen) macht bei dieser Patientengruppe keinen Sinn mehr. Hier kann Physiotherapie oft helfen, ggf. auch eine Operation. Sollten andere Ursachen eine Rolle spielen, wie z.B. eine Osteoporose, müssen diese ursächlich therapiert werden.
Vorbeugen lässt sich Verformungen also nicht?
Dass Vitamin D und Sport Skoliosen oder Kyphosen verhindern können, würde niemand behaupten. Allerdings machen eine knochengesunde Ernährung und Muskeltraining ein Leben lang Sinn, da sie die Rückengesundheit und zumindest das Ausmaß von Verformungen immer positiv beeinflussen.