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8. Mai 2019

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Gesundheit

Gentherapie – Erfolgschancen und Ethik

Journalist: Armin Fuhrer

In den vergangenen Jahren gab es große Erfolge beim Einsatz der Gentherapie gegen Krebs und andere Krankheiten. Doch es gibt noch viele Probleme.

Wenn Toni Cathomen auf das Versprechen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass Krebs-Erkrankungen in zehn bis 20 Jahren besiegbar seien, angesprochen wird, reagiert er zurückhaltend. „Solche Aussagen halte ich für gefährlich, denn sie schüren Hoffnungen, die wir nicht erfüllen können“, sagt der Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin und Gentherapie am Universitätsklinikum Freiburg und international anerkannter Experte auf dem Gebiet der Gentherapie. Denn tatsächlich stehe die Forschung noch vor vielen Problemen, die noch nicht gelöst seien. Cathomen selbst forscht auf drei Gebieten: den CAR-T-Zellen gegen solide Krebserkrankungen wie Prostatakrebs, der Gentherapie bei HIV-Infektion sowie bei schweren Immundefekten.

Gleichwohl haben Wissenschaftler wie Cathomen in den vergangenen fünf bis zehn Jahren große Fortschritte beim Einsatz der Gentherapie gegen als unheilbar geltende Krankheiten gemacht. Das gilt sowohl für verschiedene Krebserkrankungen, HIV-Infektion, als auch besonders für Erberkrankungen. Bei einer Ex-vivo-Gentherapie wird das Erbgut von Patientenzellen außerhalb des Körpers verändert, indem sie dem Patienten entnommen, genetisch verändert, vermehrt und anschließend wieder dem Körper zugeführt werden. Möglich ist es auch, eine solche Veränderung direkt im Körper des Patienten durchzuführen.

„Bei Erberkrankungen ist die Behandlung mittels Gentherapie einfacher als bei Krebs“, erklärt Cathomen. Denn in diesen Fällen ist bekannt, welche genetischen Defekte die Krankheit verursachen. „Krebserkrankungen dagegen sind sehr komplex“, so Cathomen. Bei ihnen liegt das Problem darin, dass das körpereigene Immunsystem Tumorzellen nicht erkennt und sie daher zu wuchern beginnen. Bei der Immunzelltherapie geht es darum, bestimmte Zellen des Immunsystems genetisch so zu verändern, dass sie Krebszellen erkennen und zerstören können. Bei dieser Art der Gentherapie kommen ganz bestimmte Zellen zum Einsatz, die sogenannten T-Zellen. Sie werden vom behandelten Arzt zu „CAR-T-Zellen“ verwandelt. Das „CAR“-Molekül bildet auf den T-Zellen eine Antenne aus, mit der Krebszellen erkannt und anschließend angegriffen werden können.

„Gerade wenn es um Krebs geht, darf man trotz solcher Erfolge bei der Therapie von Blut- und Lymphdrüsenkrebs nicht vergessen, dass die Gentherapie nur ein neues Instrument im Werkzeugkasten ist, das für den Kampf gegen diese Krankheiten bereitsteht“, so Cathomen. Und die Gentherapie sei zurzeit auch nur eine „Last-Line“-Therapie bei austherapierten Patiente. „Aber es gibt Patienten, die nach einer CAR-T-Zelltherapie nicht nur überlebt haben, sondern heute krebsfrei sind“. Beim Einsatz einer CAR-T-Zelltherapie muss allerdings auch mit oftmals schweren Nebenwirkungen gerechnet werden. In frühen klinischen Studien kam es bei Patienten häufig zu einer überschießenden Immunantwort, die zum Tode führen kann. „Heute wissen wir, wie wir solche Nebenwirkungen mit Medikamenten in den Griff bekommen“, so Cathomen. 

27. Jun 2025

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Gesundheit

Kleine Firmen, große Wirkung: Wie EBPs die Pharmabranche revolutionieren – mit Dr. Merle Fuchs

![MerleFuchs_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Merle_Fuchs_online_4afdaa8866.jpg) ```Dr. Merle Fuchs (PhD), Managing Partner & CEO, PRAMOMOLECULAR GmbH``` Die USA, Deutschland und die Schweiz bleiben führend bei innovativen, patentgeschützten Medikamenten, während Indien und China den Markt für Generika dominieren. In der Schweiz ist die Pharmaindustrie zum wichtigsten Wachstumsmotor aufgestiegen und steuert mittlerweile rund 5,4 Prozent zum BIP bei – ein mehr als versechsfachter Anteil seit 1990. Deutschland hingegen, einst „Apotheke der Welt“, schafft nur 1 –1,5 Prozent. Zwar sitzen mit Roche und Novartis zwei Schwergewichte in Basel, doch künftig wird die Innovationskraft von Big Pharma zunehmend von Emerging Biopharma Companies (EBPs) geprägt werden. Als EBPs gelten Biopharmaunternehmen mit weniger als 500 Mio. US$ Jahresumsatz, darunter forschende Start-ups ohne Markterlöse. Den Aufbau ihrer Wirkstoffpipeline müssen sie in Deutschland traditionell chronisch unterfinanziert mühsam durch Wagniskapital und Fördermittel finanzieren. Dennoch füllen diese aufstrebenden kleinen Unternehmen die Pipeline: Während 2002 etwa 67 Prozent der Innovationen von Big Pharma kamen, stammten 2022 gut 84 Prozent der Wirkstoffe in frühen und 73 Prozent in späten klinischen Phasen von EBPs. EBPs sind überdurchschnittlich innovationsgetrieben, nutzen neueste Technologien und konzentrieren sich auf Plattformen wie Gen- oder Zelltherapie, RNA-basierte Verfahren oder Antikörper-Engineering, die Großkonzerne erst nach validen klinischen Daten lizenzieren – und dann für Milliardenbeträge einkaufen. Agile Strukturen und flache Hierarchien erlauben EBPs schnelle Entscheidungen und effiziente frühe Forschung. PRAMOMOLECULAR ist ein Beispiel: Das präklinische EBP entwickelt Gene-Silencing-Wirkstoffe gegen bislang unbehandelbare Erkrankungen in der Hälfte der Zeit und zu 10 Prozent der Kosten klassischer Programme. Für mehr solcher Erfolge braucht Deutschland exzellente Grundlagenforschung, ausreichend Wagniskapital und Mut, neue Wege zu gehen. Denn nur wer die kleinen „Zwerge“ stark macht, kann die Zukunft der Medizin gestalten. >EBPs sind überdurchschnittlich innovationsgetrieben, nutzen neueste Technologien und konzentrieren sich auf Plattformen wie Gen- oder Zelltherapie, RNA-basierte Verfahren oder Antikörper-Engineering, die Großkonzerne erst nach validen klinischen Daten lizenzieren – und dann für Milliardenbeträge einkaufen.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Gesundheitswende als Schlüsselmoment – mit Dr. Christian Weißenberger

![Portrait_ChristianWeißenberger_2757x3667px_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Portrait_Christian_Weissenberger_2757x3667px_online_5e883d9860.jpg) ```PD Dr. Christian Weißenberger, Spezialist für Strahlentherapie & Palliativmedizin in Freiburg``` Europa und Deutschland stehen an einer Zeitenwende, in der wirtschaftliche Kraft von geopolitischen Spannungen und globalem Wettbewerb unter Druck gerät. Deutschland muss entschlossen handeln, um als Wirtschaftsmotor und Vorbild für Freiheit und Demokratie zu bestehen. Ein zentraler Hebel ist die Modernisierung des Gesundheitssektors. In der Region Freiburg etwa ist der Gesundheitsbereich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und belegt international mit Mittelständlern wie Herstellern von Hightech-Operationsbesteck seine Innovationskraft. Doch während die Weltmärkte wachsen, schrumpft die Medizintechnik-messe Medica in Düsseldorf: Gewinner orientieren sich zunehmend nach Dubai und in den arabischen Raum. Ursache ist häufig eine kurzsichtige Finanzpolitik hierzulande. Statt in innovative Großgeräte zu investieren, flossen Kürzungen in die sprechende Medizin. Hightech-Einrichtungen erlitten ein Minus von teils über 22 Prozent. Die Folge ist absehbar: finanzielle Engpässe, resignierte Anbieter und Abwanderung ins Ausland. Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) steht hier als Symbol verfehlter Gesundheitspolitik. Und trotz des Milliarden-Sondervermögens bleibt Gesundheit unterfinanziert. Dabei haben Deutschland und Europa mit exzellent ausgebildetem Personal und Weltklasse-Krankenhäusern Spitzenbedingungen. Entscheidend ist jetzt die politische Entscheidung, Mittel gezielt in Hightech-Medizin, Ausbildung und Digitalisierung zu stecken – nicht erst nach dem Ernstfall. Digitalisierung bedeutet aber zunächst höhere Kosten für Hardware und Schulung, bevor Effizienzgewinne folgen. Und auch Empathie-Arbeit in Pflegestationen lässt sich nicht digitalisieren: Menschliche Ressourcen bleiben die wertvollste Investition! Hier fordere ich Ehrlichkeit: Wenn optimale Medizin für alle nicht mehr finanzierbar ist, muss man das klar benennen. Nur so lassen sich die richtigen Rezepte finden. Deutschland braucht jetzt nicht nur Visionen, sondern konkrete Schritte und das Budget, um seine Vorreiterrolle zu sichern.