Diesen Artikel teilen:

28. Sep 2023

|

Wirtschaft

Gläserne Decke auch im Stall

Journalist: Jakob Bratsch

|

Foto: Alexander Sell

Petra Bentkämper, Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes

Wer bei gläserner Decke im Stall an mehr Glasscheiben, viel Oberlicht und guten Blick auf die Lieblingstiere oder an Tierwohl denkt, ist völlig auf dem Holzweg. LandFrauen verbinden mit der gläsernen Decke im Stall erfahrungsgemäß die zahlreichen Widerstände, denen sie als Expertin und berufstätige Frau in der Landwirtschaft begegnen.

Wenn unsere Landwirtschaft eine starke Zukunft haben soll, muss neben Aspekten wie Planungssicherheit, Strukturwandel, Umwelt- und Klimaschutz oder Tierwohl viel stärker das kreative und qualifizierte Potenzial der Frauen in der Landwirtschaft verinnerlicht und insbesondere auch genutzt werden. Hier liegt eine enorme, exzellente Ressource viel zu sehr im Dunkel.

Rund 36 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte sind weiblich. Sie leisten fachlich anspruchsvolle Tätigkeiten auf Höfen und in Betrieben, sorgen dafür, dass Milch, Fleisch, frisches Obst und Gemüse auf den Tischen stehen. Sie sind oft erste Ansprechpartnerin für die Mitarbeitenden, mitunter auch Schlichterin oder Mediatorin. Daneben jonglieren sie in diversen weiteren Rollen: als Bürokraft und Versorgungsexpertin, familiär als Partnerin, als Mutter, mit Care-Aufgaben für Jung und Alt, als Familienmanagerin.

Dieses Spannungsfeld zwischen Beruf, Karriere und Care-Aufgaben bleibt allzu oft unerkannt. Die Entscheidung zwischen Kind und Kuh ist in einem bestimmten Lebensabschnitt nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Und wer sich für Nachwuchs entscheidet, weiß genau, wenn die eigenen Kinder weniger Aufmerksamkeit benötigen, gibt es nur ein kurzes Zeitfenster bis die Eltern, denen als Altenteiler ein lebenslanges Wohnrecht auf dem Hof zusteht, dann auf ihre Unterstützung angewiesen sind. Denn es sind meist die Frauen, die die Pflegeaufgaben im nahen Umfeld übernehmen. Es überrascht kaum, dass jede fünfte Frau in der Landwirtschaft Burn-out gefährdet ist.

Die Benachteiligung von Frauen in der Landwirtschaft zeigt sich auch bei der Betriebsführung: Ein Drittel der Frauen hat einen Hochschulabschluss, aber nur 11 Prozent leiten einen Betrieb.

Die Benachteiligung von Frauen in der Landwirtschaft zeigt sich auch bei der Betriebsführung: Ein Drittel der Frauen hat einen Hochschulabschluss, aber nur 11 Prozent leiten einen Betrieb. Und obwohl 72 Prozent der Frauen selbst unternehmerisch-strategische Entscheidungen treffen oder daran beteiligt sind, weit mehr als die Hälfte sich um Buchhaltung und Finanzen kümmern, sind nur die wenigsten im Grundbuch des von ihnen mitbewirtschafteten Landes eingetragen. Das bedeutet, dass sie im Falle von Scheidung, Trennung oder Tod des Partners – trotz ihrer enormen erbrachten Leistungen im Betrieb – überhaupt nicht abgesichert sind. Besonders eindrücklich: Traditionelle familiäre Rollenbilder in der Landwirtschaft halten Frauen von Leitungspositionen ab. Sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nur dann Betriebsleiterinnen und Hofnachfolgerinnen, wenn sie Einzelkind sind oder lediglich Schwestern haben.

Das ist der Status der Gleichberechtigung und Teilhabe, den wir im Jahr 2023 erreicht haben. Als Gesellschaft können wir es uns nicht länger leisten, weibliche Potenziale zu ignorieren, indem diese unter dem Radar gehalten oder übergangen werden. Es gibt viele Lösungsansätze. Wir sprechen hier von geförderten Frauennetzwerken; von agrarstatistischen Erhebungen, die den konkreten Anteil von Frauen sichtbar machen; von jährlichen Renteninformationen an die Versicherten sowie einem niederschwelligen Beratungsangebot oder von Mutterschutz- und Elterngeldregelungen für selbstständige Frauen. Lösungsansätze liegen aber auch innerhalb der Familien selbst, Arbeiten fachlich gerecht zu verteilen und traditionelle Rollenklischees ernsthaft zu hinterfragen.

23. Dez 2025

|

Gesellschaft

Warum es so wichtig ist, konsequent nachhaltig zu bauen – Ein Beitrag von Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand DGNB e.V.

Nachhaltiges Bauen bedeutet weit mehr als energieeffiziente Gebäude oder den Einsatz ökologischer Materialien. Es beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Gebäude über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet werden: von der Planung über den Bau und die Nutzung bis hin zu Umbaumaßnahmen oder den Rückbau. Ziel ist es, Umweltbelastungen zu minimieren, Ressourcen zu schonen, Menschen gesunde und lebenswerte Räume zu bieten und gleichzeitig wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu schaffen. Stand heute ist der Bausektor nach wie vor für einen erheblichen Teil der globalen CO2-Emissionen, den Verbrauch natürlicher Ressourcen und den zunehmenden Verlust der Biodiversität verantwortlich. Gleichzeitig verbringen wir den Großteil unseres Lebens in geschlossenen Räumen, die unser Wohlbefinden stärken sollen, ohne dabei die Zukunft unseres Planeten zu gefährden. Zudem leben immer mehr Menschen in der Stadt. Der Bedarf an attraktiven und dazu noch klimaresilient gestalteten Freiräumen wächst. Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Wie ein Perspektivwechsel in diese Richtung gelingen kann, zeigen wir noch bis zum 28. Januar 2026 mit der ersten DGNB Ausstellung „What If: A Change of Perspective“ in der Berliner Architekturgalerie Aedes. Die Ausstellung fordert Besucherinnen und Besucher dazu auf, gewohnte Denkmuster zu hinterfragen und die Themenvielfalt des nachhaltigen Bauens neu und unvoreingenommen auf sich wirken zu lassen. >Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Anhand gebauter Beispiele wird deutlich, dass viele Lösungen bereits existieren. So erfährt der Besuchende anschaulich, wie Gebäude klima- und ressourcenschonend geplant werden können, indem Materialien im Kreislauf geführt, Energie effizient genutzt oder sogar erzeugt wird und der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt bleibt. Ebenso thematisiert werden Klimaanpassung und Resilienz: durch kluge Gestaltung, Begrünung und Freiräume können Gebäude und Städte besser mit Hitze, Starkregen oder Trockenperioden umgehen. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Menschen. Nachhaltiges Bauen stellt das Wohlbefinden, die Gesundheit und das soziale Miteinander in den Mittelpunkt. Architektur kann Begegnung fördern, Identität stiften und bezahlbaren Wohnraum schaffen, ohne dabei die Umwelt aus dem Blick zu verlieren. Auch der verantwortungsvolle Umgang mit bestehenden Gebäuden spielt eine zentrale Rolle. Sanieren, Umnutzen und Weiterbauen im Bestand werden als Strategien gezeigt, um Flächen zu schützen und Ressourcen zu sparen. Nicht zuletzt wird klar, dass Nachhaltigkeit keine Kostenspirale sein muss. Ganzheitlich geplante Gebäude sind oft wirtschaftlicher, weil sie langfristig Betriebskosten senken, Risiken minimieren und ihren Wert erhalten oder steigern. Nachhaltiges Bauen ist kein abstraktes Expertenthema und schon gar keine Zukunftsvision, sondern eine konkrete Chance. Für lebenswerte Städte, für gesunde Räume und für eine gebaute Umwelt, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist. Als inhaltlich getriebener Non-Profit-Verein begreifen wir das nachhaltige Bauen seit unserer Gründung vor 18 Jahren als gesellschaftliche Aufgabe, nach der wir unser Handeln ausrichten. Mit der Ausstellung laden wir jeden einzelnen ein, genauer hinzusehen, weiterzudenken und selbst Teil des Wandels zu werden. Weitere Informationen gibt es unter www.dgnb.de/aedes