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29. Sep 2022

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Gesellschaft

Große Hürden für das Mehrwegsystem

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Daniel Norris/unsplash

Aber die Systemgastronomie ist auf die Angebotspflicht für wiederverwendbare Verpackungen ab 2023 vorbereitet, verspricht Andrea Belegante vom BdS.

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Andrea Belegante, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Systemgastronomie; Foto: Presse

Frau Belegante, ab dem 1. Januar kommenden Jahres gilt die Angebotspflicht für Mehrwegverpackungen. Wie gut ist die Systemgastronomie darauf vorbereitet?

Unsere Mitglieder bieten bereits seit einigen Jahren und aus eigenem Antrieb Mehrwegbecher für ihre Gäste an. Allerdings müssen wir festhalten, dass die Gäste trotz intensiver Bewerbung und finanzieller Anreize in der Vergangenheit Mehrwegbecher nur in geringem Maße genutzt haben. Die Zahlen bewegen sich im einstelligen Prozentbereich. Die ab 1. Januar 2023 geltende Mehrwegangebotspflicht stellt die Unternehmen trotz erster Erfahrungen vor große Herausforderungen, insbesondere was die Logistik betrifft. Alles in allem nimmt die gesetzliche Mehrwegangebotspflicht wenig Rücksicht auf die konkreten Umsetzungshürden.

Wird die Mehrzahl der Unternehmen sich eher zu Systemanbietern orientieren oder lieber eigenes Mehrweggeschirr nutzen?

Es scheint so zu sein, dass die Unternehmen in Teilen eigene Mehrwegsysteme mit eigenen Verpackungen anbieten werden. Ein Vorteil davon ist, dass unternehmensspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden könne. Ein gravierender Nachteil ist und bleibt, dass Gäste die Mehrwegverpackungen nur bei dem Unternehmen zurückgeben können, bei dem sie die Verpackung erhalten haben. Aus diesem Grund setzt ein anderer Teil unserer Mitglieder explizit nicht auf eigene Mehrweglösungen.

Glauben Sie, der ökologische Mehrwert durch die neue Regelung wird groß sein?

Wir sind da skeptisch. Die Vorstellung, dass ein verpflichtendes Angebot von Mehrweg- neben Einwegverpackungen zu einer verstärkten Nutzung von Mehrwegalternativen führt, ist nicht haltbar. Die Gäste ändern ihr Konsumverhalten nicht von heute auf morgen. Das benötigt Zeit und auch eine Unterstützung aus der Politik. Aber selbst, wenn die Mehrwegbehälter tatsächlich mehrfach genutzt werden, braucht es laut Umweltbundesamt 25 Umläufe und mehr, um eine positive Ökobilanz zu generieren. Das Thema ist also komplex und die Gleichung „Mehrweg gleich ökologisch“ ist nicht ohne Weiteres zutreffend.

Wie bringt sich die Systemgastronomie ein, um das Angebot an Mehrwegalternativen weiter voranzutreiben?

Sie hat ja bereits zu einem frühen Zeitpunkt selbst die Initiative ergriffen und den Gästen schon vor Jahren Mehrwegalternativen angeboten. Dazu kooperieren einige Unternehmen beispielsweise mit Mehrweganbietern. Und wir haben uns mit anderen Branchenverbänden ausgetauscht, um Synergieeffekte zu identifizieren oder Lösungen zu erarbeiten, um die Rückgabe der Mehrwegverpackungen für den Gast so einfach wie möglich zu gestalten und dadurch die Akzeptanz zu fördern. Daher werden unsere Mitglieder – trotz aller Hindernisse wie einer viel zu späten Einbindung durch die Politik – ab dem 1. Januar funktionierende Systeme haben.

Der Bundesverband der Systemgastronomie vertritt rund 25 systemgastronomische Marken mit rund 830 mittelständisch geprägten Mitgliedsunternehmen mit über 120.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Alle BdS-Mitgliedsunternehmen sind tarifgebunden. Jeder dritte Euro, der in der Gastronomie umgesetzt wird, wird in der Systemgastronomie ausgegeben. Pro Tag besuchen vier Millionen Menschen die Mitgliederrestaurants.

27. Jun 2025

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Gesellschaft

Wahlfach Informatik: Zu wenig für Europas digitale Souveränität – mit Christine Regitz

![ChristineRegitz_c_MikeAuerbach_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christine_Regitz_c_Mike_Auerbach_online_d5622666e2.jpg) ```Christine Regitz ist Präsidentin der Gesellschaft für Informatik e. V. (GI)``` Inmitten einer Zeitenwende, in der wirtschaftliche Stärke zunehmend durch digitale Kompetenz definiert wird, ist informatische Bildung ein entscheidender Hebel für Souveränität und Wirtschaftswachstum. Deutschland braucht nicht nur mehr IT-Fachkräfte – es braucht insgesamt eine digital gebildete Gesellschaft. Denn ohne breite informatische Grundbildung wird die digitale Transformation zur Abhängigkeit statt zur Chance. Informatikkompetenz ist kein Nice-to-have mehr, sondern Grundlage für wirtschaftliche Resilienz. Sie entscheidet darüber, ob wir technologische Entwicklungen mitgestalten oder ihnen hinterherlaufen. Das gilt auch für den Bereich der Künstlichen Intelligenz. Wer KI nur konsumiert, bleibt abhängig – von den Infrastrukturen, Werten und wirtschaftlichen Interessen anderer. Wenn Europa bei der Entwicklung eigener KI-Systeme den Anschluss verliert, verlieren wir mehr als nur Marktanteile: Wir verlieren unsere digitale Selbstbestimmung. Fachkräftesicherung beginnt nicht erst an der Hochschule, sondern bereits in der Grundschule. Informatik muss flächendeckend als Pflichtfach und praxisnah unterrichtet werden – nicht nur, um Lücken am Arbeitsmarkt zu schließen, sondern um die nächste Generation zum aktiven Gestalten zu befähigen. Nur so entsteht ein Arbeitsmarkt, der auf Augenhöhe mit der Technologie agiert. >Wenn Europa bei der Entwicklung eigener KI-Systeme den Anschluss verliert, verlieren wir mehr als nur Marktanteile: Wir verlieren unsere digitale Selbstbestimmung. Deshalb hat die Gesellschaft für Informatik e. V. die Allianz für informatische Bildung ins Leben gerufen. Unser Ziel: den Informatikunterricht flächendeckend stärken, auch schon im Primarbereich. Denn wer heute nicht in digitale Bildung investiert, riskiert morgen, dass Innovation, Wertschöpfung und technologische Kontrolle dauerhaft in Übersee stattfinden. Europa braucht eigene Modelle, eigene Infrastrukturen und vor allem: eigene Menschen, die sie bauen können.