Diesen Artikel teilen:

7. Okt 2020

|

Business

Großer Umbau, große Verantwortung – was auf Flottenmanager zukommt

Journalist: Kurt Sigl

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Flottenmanager und Flottenmanagerinnen, lassen Sie uns nicht drum herumreden, sondern direkt zum Problem dieses Sommers kommen: Es gibt keine E-Autos zu kaufen. Die Fahrzeuge, die batterieelektrisch fahren, sind seit Wochen nicht lieferbar. Ihre Unternehmen haben für die Beschaffung grünes Licht gegeben, die Bundesregierung hat den Förderbetrag noch einmal angehoben, Sie selbst haben sich in Eigenleistung irgendwie ins Thema eingearbeitet – und ausgerechnet jetzt gibt es diese Dinger nicht zu kaufen. Die Frustration ist hoch und der Start ins elektrische Fahrzeitalter fällt holprig aus.  

Kurt Sigl, Präsident Bundesverband eMobilität (BEM), Foto: Presse

Nun muss man ehrlich sein. Vermutlich wäre jeder Wandel holprig gewesen. Gleichwohl gibt es aktive Widerstände und Flottenmanager kennen sie. Umso überraschender ist es, dass die Politik die gegenwärtige Corona-Krise nutzt, um wirtschaftliche Strukturveränderungen durchzusetzen und der Elektromobilität den Start zu erleichtern. Beim Kauf eines E-Fahrzeugs mit einem Listenpreis von bis zu 40.000 Euro ist die Förderung des Bundes von 3.000 auf 6.000 Euro angehoben worden. In den Aus-bau der Ladesäulen-Infrastruktur sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung der Batteriezellenfertigung fließen 2,5 Milliarden Euro – was ein guter Anfang ist. E-Mobilitäts-Programme bei Herstellern und Zulieferern in der Automobilindustrie werden mit einem Bonus-Programm von einer Milliarde Euro gefördert. Die Kfz-Steuer wird ab 2021 stärker an den CO2-Emissionen ausgerichtet. Mit Flottenaustauschprogrammen soll sozialen Diensten und dem Handwerk unter die Arme geholfen werden. Und der Bund investiert in ein Bus- und Lkw-Flotten-Modernisierungsprogramm, mit dem alternative Antriebe gefördert werden. E-Busse und ihrer Ladeinfrastruktur werden bis Ende 2021 gepusht. Der Umbau der Automobilindustrie ist also in vollem Gange.  

Flottenmanager können hier eine wichtige Rolle entwickeln. Traditionell werden sie engmaschig von den Hersteller-Firmen umsorgt. Verkaufstrainings, Technikvorführungen, Produktschulungen – alles warm umhegt. Jetzt allerdings müssen die Betreuer der Fuhrparks viel weiter denken als nur an Endgeräte. Neben den E-Autos braucht es ein Energie-Management. Dazu gehört der Aufbau der Ladeinfrastruktur, der Betrieb und die Wartung, die Stromversorgung zu Spitzenlastzeiten, eine neue Planung der Streckenbedürfnisse, Software-Steuerung. Wer effizient denkt, will die Auslastung steigern. Neue Geschäftsmodelle entstehen, Untervermietung, andere Endgeräte, neue Partnerschaften. Das alles macht deutlich, dass es hier nicht nur um einen Antriebs-, sondern um einen Systemwechsel handelt. Automobilhersteller bieten hier keine Updates. Es ist also ernsthafte Veränderungszeit für das Berufsfeld.
Wenn Flottenmanagern dieser Sprung im Management gelingt und damit auch das Handling von E-Auto-Flotten, ist das ein wichtiges Signal am Markt. Sie sind die Abnehmer großer Stückzahlen, sie leiten die Führungskräfte bei der Techniknutzung an, der neuen Bordelektronik, dem Komfort und allen Vorzügen, die Elektromobilität in sich trägt. Dass Hybrid-Fahrzeuge nur ein Zwischenschritt sind, in der Sache sogar eine Mogelpackung, das hat sich herumgesprochen. Da, wo Ladekabel originalverpackt im Kofferraum liegen, obwohl das Fahrzeug seit Monaten im Einsatz ist, da hat nur jemand Mitnahme-Effekte gemacht. Wichtiger ist jetzt der echte Umstieg. Ohne Zweifel benötigen die Beteiligten hier mehr Kompetenzen und mehr Weiterbildung. Dann gelingt der E-Mobile-Change über die Unternehmen, ihrer Angestellten, die Abendtischgespräche und die Weitergabe der Erfahrungen an Ihre Kinder. 

27. Jun 2025

|

Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.