Diesen Artikel teilen:

10. Dez 2024

|

Business

Gründerinnen müssen sichtbarer werden – mit Gülsah Wilke

Journalist: Katja Deutsch

|

Foto: Meghan Lamle/unsplash, Presse

Europas größtes Netzwerk für Menschen mit Migrationsvordergrund, 2hearts, umfasst mehr als 3.000 Mitglieder, ein großes Netzwerk von Angel-Investoren und mehr als 200 Mentoren. 2hearts-Gründerin Gülsah Wilke fordert mehr Unterstützung und Sichtbarkeit für weibliche Vorbilder.

Mail-Anhang online.jpg Gülsah Wilke, Digitalunternehmerin, Advisor & Investorin

Bis zum Jahr 2030 soll jedes dritte Unternehmen von einer Frau gegründet werden – das ist eines der Ziele der Innovationsagenda 2030 des Bundesverbands Deutsche Startups, an der Gülsah Wilke mitgearbeitet hat. Denn obwohl die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland weiblich ist, werden nur zwei von zehn Start-ups von Frauen gegründet. Deshalb wünscht sich die Unternehmerin, dass das Thema Unternehmertum bereits in der Schule behandelt wird. „Damit einher geht das Thema Sichtbarkeit: You can’t be what you can’t see! Junge Frauen brauchen Vorbilder – Gründerinnen, die von ihren Erfolgen und auch Misserfolgen berichten. Dass Gründerinnen kaum bekannt sind, liegt auch an ihrer mangelnden Sichtbarkeit. Medien und Netzwerke wie 2hearts sind hier unglaublich wichtig.“

Sichtbarkeit und das Aufzeigen von Vorbildern spielen bei 2hearts neben dem Thema Migrationshintergrund eine große Rolle. Das größte Vorbild für Gülsah Wilke selbst ist Melinda French Gates. Die Philanthropin und Milliardärin gründete 2015 Pivotal Ventures, das sich auf unterrepräsentierte Gründergruppen, insbesondere Frauen, konzentriert. „Melinda French Gates zeigt, wie man viel Kapital gewissenhaft und an den richtigen Stellen einsetzt. Sie investiert in Unternehmerinnen mit gesellschaftlicher Relevanz – und mit Fokus auf Rendite“.

Junge Frauen brauchen Vorbilder – Gründerinnen, die von ihren Erfolgen und auch Misserfolgen berichten.

Gülsah Wilke leitet das deutsche Büro von DN Capital, einem europäischen Risikokapitalfonds. Sie setzt sich dafür ein, dass Gründerinnen Familie und Beruf besser vereinbaren können, zum Beispiel indem Kinderbetreuungskosten steuerlich voll absetzbar sind, Elterngeld unbürokratisch beantragt werden kann und der Mutterschutz nach der Geburt endlich auch selbständigen Frauen zugestanden wird.

Sie setzt sich dafür ein, dass Gründerinnen Familie und Beruf besser vereinbaren können, zum Beispiel indem Kinderbetreuungskosten steuerlich voll absetzbar sind.

Auch wünscht sie sich dringend mehr Investorinnen, die ihrerseits in Frauen investieren, denn über 84 Prozent der Gründerinnen geben an, bei der Kapitalvergabe benachteiligt zu werden. Auch hier könnte der Staat regulierend eingreifen.

27. Jun 2025

|

Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.