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11. Dez 2023

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Business

„Gründungen bedeuten oft Innovationen“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: StartupStockPhotos/pixabay

Start Ups werden für den Standort Deutschland immer wichtiger, erklärt Personio-Gründer Hanno Renner. Aber sie sind angewiesen auf ausländische Fachkräfte.

Herr Renner, welche Rolle spielen Start-ups und junge Unternehmen für den Standort Deutschland?

Das deutsche Startup-Ökosystem wird zu einem immer wichtigeren Kernpfeiler der deutschen Wirtschaft. Die kumulierte Unternehmensbewertung deutscher Startups hat sich mehr als verfünffacht und liegt nun bei 168 Milliarden Euro – das sind gut fünf Prozent des BIP 2018. Der Großteil dieser Unternehmen sind Tech-Unternehmen. Entsprechend relevant sind diese 415.000 Mitarbeitenden als digitale Treiber für die deutsche Volkswirtschaft. Indirekt sind es mehr als 1,6 Millionen Mitarbeitende — das sind mehr Beschäftigte als in der Automobil- und Chemie-Industrie zusammen. Bis 2030 könnten Start- und Scaleups einen direkten Beschäftigungsanstieg auf mindestens eine Million Arbeitsplätze erreichen. Das haben digitale Unternehmen in den USA und China bereits bewiesen.

 

Hemmt der Fachkräftemangel das Wachstum?

Fast alle Unternehmen benötigen Fachkräfte in allen Bereichen. Allein durch Arbeitnehmende im Inland ist der Bedarf nicht abzudecken und wir benötigen dringend internationale Talente – deshalb haben wir bei Personio zum Beispiel gerade einen Standort in den USA eröffnet. Was das Problem verschärft: Wir haben einen Fachkräftemangel bei der Behebung des Fachkräftemangels. Die Ausländerbehörden und kommunalen Stakeholder stehen vor einem enormen Vollzugsproblem. Erstens sind Visa-Prozesse durch unsere föderale Struktur nicht einheitlich. Zweitens fehlt unseren Behörden schlicht das Personal zur schnellen Umsetzung. Hier kann mit der Digitalisierung und Harmonisierung der Prozesse schnell gegengesteuert werden.

 

Deutschland steht als ressourcenarmes Land unter einem besonderen Innovationsdruck. Können Start-ups und junge Unternehmen davon profitieren?

Deutschland ist schon immer ein Gründungsland: Schon im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden Unternehmen wie Daimler, Bosch, Bayer und viele mehr. Heute liegt die Selbstständigenquote in Deutschland allerdings deutlich unter der anderer erfolgreicher Volkswirtschaften. Aber wenn gegründet wird, ist dies häufig mit Innovation und klaren Marktchancen verbunden. Die Frage sollte nicht nur sein, wie Unternehmen profitieren, sondern wie Deutschland von starken Technologie-Unternehmen profitieren kann.

 

Reicht die Förderung hierzulande aus?

Es geht nicht nur um die Förderung, sondern darum, die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass wir erfolgreiche Unternehmen aus Deutschland heraus entwickeln und hier halten können. Hier spielen zum Beispiel Börsengänge eine wichtige Rolle. Es müssen jetzt die entsprechenden Weichen gestellt werden, damit deutsche Startups, wie zum Beispiel BioNTech, künftig in Deutschland oder Europa an die Börse gehen. Das ist relevant, denn es gibt eine Reihe deutscher Scaleups, die in den nächsten Jahren die Entscheidung über den Ort Ihres Börsengangs treffen werden.

Deutsche Start Ups hatten laut Statista im Jahr 2022 ein durchschnittliches Alter von 2,8 Jahren und eine durchschnittliche Mitarbeiterzahl von 18,4. Der Anteil der Start Ups mit einem Umsatz von bis zu 150.000 Euro im Jahr lag bei 22,9 Prozent. Die meisten Start Ups (19,8 %) sind in NRW angesiedelt, knapp dahinter kommt das deutlich kleinere Berlin (19,1 %) vor Bayern (13,6 %).

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.