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28. Mär 2023

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Business

„Häufig fehlt es an Fachwissen“

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Presse, Tirza van Dijk/unsplash

Unter dem weit gefassten Begriff Operational Technology (OT) ist in der Regel die IT-lastige Betriebstechnik aus Hardware und Software gemeint, die für die Steuerung von Anlagen und Prozessen in Industrieunternehmen eingesetzt wird. Durch die komplexe und anfällige Struktur werden die Systeme immer anfälliger für Cyberangriffe. Stefanie Naujoks, Research-Director IDC Manufacturing, über die Herausforderungen für Unternehmen.

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Stefanie Naujoks, Research Director IDC Manufacturing

Immer mehr Industrieanlagen und -systeme werden Opfer von Cyberangriffen. Warum ist Operational Technology (OT) Cybersecurity heute ein relevantes Thema und wird immer wichtiger?
Je mehr die Digitalisierung in der Produktion voranschreitet und je mehr sich Cloud-Lösungen, 5G, IoT oder Edge Computing in der Produktion verbreiten, desto größer wird auch die Angriffsfläche für Hacker. Cyberangriffe auf häufig unzureichend geschützte Anlagen können zu Fabrikschließungen führen und die Behebung von Sicherheitsverletzungen zu erheblichen Kosten.

Je größer die Vernetzung mit dem Internet, desto größer sind auch die Schwachstellen für Cyberangriffe. Was sind die Herausforderungen, die Unternehmen in der Sicherung der OT bewältigen müssen?
Zuallererst müssen Unternehmen die OT-Umgebung dort sichern, wo die Schwachstelle liegt, an den Anlagen und in den Fabriken. Durch die zunehmende Vernetzung, aber auch aufgrund des steigenden Datenvolumens, Fernzugriffe und Verbindungen zur Cloud werden auch neue sicherheitsrelevante Anforderungen an das industrielle Netzwerk gestellt. Den Unternehmen mangelt es jedoch häufig an Fachwissen darüber, wie die OT-Umgebung und das industrielle Netzwerk gesichert werden können.

Was müssen Unternehmen beachten, wenn Sie OT Cybersecurity Konzepte entwickeln und einführen möchten?
Sicherheit sollte eine Priorität der Unternehmensleitung sein. Gleichzeitig sollte die IT Richtlinien, Systeme und Protokolle einführen, um das Risiko von Sicherheitsverletzungen in OT-Umgebungen zu minimieren. Dazu zählt die Implementierung von Plattformen, die beispielsweise eine Sicherheitsautomatisierung ermöglichen, um eine kontinuierliche Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten, einschließlich der Netzwerkinfrastruktur. Unternehmen, die zusätzliche Unterstützung benötigen, sollten Anbieter oder Dienstleister auswählen, die über fundierte Kenntnisse im Bereich der OT-Cybersicherheit und der IT/OT-Konvergenz verfügen, um sicherzustellen, dass ein strategischer Fahrplan definiert und umgesetzt wird.

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit der IT, um Governance-Konzepte zu entwickeln und umzusetzen?
Sehr wichtig! Eine engere Zusammenarbeit zwischen IT und OT sollte unbedingt gefördert werden, um die Stärken des jeweils anderen zu ergänzen. Die IT-Abteilung hat mehr Erfahrung mit Cybersicherheit und der Skalierung digitaler Initiativen, während die OT über das notwendige Wissen verfügt, wie beispielsweise, welche OT-Daten erforderlich sind bzw. genutzt werden können um sicherzustellen, dass Digitalisierungsprojekte tatsächlich einen positiven Beitrag zu relevanten KPIs liefern werden.
Gleichzeitig ist es wichtig, dass die OT-Seite den Wert zusätzlicher Maßnahmen zur Cybersicherheit versteht und dass das IT Securityteam lernt, die Risiken auf ein akzeptables Maß zu reduzieren, um den Betrieb nicht zu stören. Hier eine Balance zu finden ist oft schwierig, da es sich nicht um ein technisches Problem handelt, sondern um Menschen.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.