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30. Sep 2022

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Business

Herausforderungen für die Sicherheit in der heutigen Zeit

Journalist: Holger Berens, Vorstandsvorsitzender Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastrukturen e. V.

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Foto: Presse/BSKI

Corona, Klimawandel, Gasmangellage, Russland-Ukraine-Krieg, Spannungen zwischen China und den USA, Lieferkettenprobleme, Inflation, Nordkorea und organisierte Kriminalität im Cyber-Raum: Wir leben in einer disruptiven Zeit, die Krisen nehmen kein Ende und die Aufzählung dieser Herausforderungen ist längst noch nicht abschließend.

Alle diese Krisen haben sowohl Auswirkungen auf uns als Gesellschaft als auch auf die Unternehmen, insbesondere auf die kritischen Infrastrukturen. Es stellt sich somit die Frage, wie sich Unternehmenssicherheit in den letzten Jahrzehnten verändert hat und welche Grundvoraussetzungen umzusetzen sind, um eine „sichere“ Unternehmensumgebung zu gewährleisten. Grundsätzlich muss sich in der heutigen globalen, volatilen und disruptiven Zeit die Frage stellen, ob die Corporate-Security-Organisation als solche noch Bestand hat oder gerade unter einem ganzheitlichen Ansatz neu gedacht werden muss. Während die Sicherheit früher auf den Werkschutz reduziert wurde, ist sie heute eine Managementaufgabe geworden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es keine allgemeingültige Antwort geben kann. Jedes Unternehmen ist einzigartig und muss individuell entscheiden, welche Organisation sinnvoll und effektiv ist. Wesentlich in diesem Zusammenhang ist, dass unter Unternehmenssicherheit eben nicht mehr der reine Werkschutz zu verstehen ist, sondern die Sicherheit eine Managementaufgabe und ganzheitlich zu betrachten ist. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Unternehmen allein in der Lage sind, die Risiken sicher zu minimieren. Lassen Sie uns den Klimawandel und die Energieversorgung näher betrachten.

Die Ukraine-Krise hat gezeigt, wie kritisch es ist, sich bei der Energieversorgung von einem autokratischen Staat abhängig zu machen. Die betrifft nicht nur Deutschland, sondern auch die EU. Durch die Gasmangellage und den Klimawandel liegt der Fokus auf dem drastischen Ausbau der Erneuerbaren Energie. Dies führt zu einer einseitigen Abhängigkeit von China. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme stellte schon 2020 in einer Studie fest, dass China 67 % der Solarmodule produziert. Hinzu kommt, dass China ca. 80 % der für Windkraftanlagen notwendigen Komponenten produziert. Auch auf dem Rohstoffsektor – wie seltene Erden etc. – besteht diese Abhängigkeit. Zudem sieht die Industriestrategie Chinas vor, bis 2049 die führende internationale Wirtschaftsmacht in allen Schlüsselindustrien zu sein. Hier sei nur die neue Seidenstraße als erster Meilenstein genannt. Das größte politische Risiko ist die Unsicherheit, wie China sich gegenüber Russland positioniert. Durch die Ukraine-Krise und die internationale Ächtung Russlands ist der Schulterschluss zwischen China und Russland noch enger geworden. Die gemeinsame Erklärung von Xi Jinping und Putin bei den Olympischen Spielen zeigt deutlich, dass beide Staaten viele westliche Nationen als Gegner sehen. Es stellt sich also die berechtigte Frage, ob China tatsächlich ein zuverlässiger Partner ist. Dieses Risiko muss neben den Cyberrisiken durch eventuell eingebaute „versteckte“ Schwachstellen in bestimmte Komponenten gleichgewichtet betrachtet werden. Durch technische und organisatorische Maßnahmen kann man zumindest die Risiken eines Hackerangriffes minimieren. Auch die Menschenrechtsverletzungen wie z. B. der Unterdrückung der Uiguren in der Provinz Xinjiang und der Einsatz von Zwangsarbeitern bei der Gewinnung von Polysilizium – dieser Rohstoff ist erforderlich für die Produktion von Solarzellen – führen zu einem ethischen Dilemma. Können wir ethisch rechtfertigen, dass wir durch unsere Handelsbeziehungen dieses Regime mittelbar unterstützen?

Sie sehen, welchen Herausforderungen die Sicherheitsabteilungen und die Unternehmen ausgesetzt sind. Die Beilage soll aus verschiedenen Blickwinkeln Antworten auf die jetzige Situation geben.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.