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3. Apr 2023

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Gesellschaft

„Hersteller müssen Verantwortung übernehmen“

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Presse, Pexels/Julia Cameron

Peter Kurth, Präsident vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e.V. (BDE)

Nur mit einer erweiterten Hersteller- aber auch Konsumentenverantwortung kann Nachhaltigkeit funktionieren. Dazu benötigt es aber auch einer abgestimmten Kreislaufwirtschaft, weiß Peter Kurth, Präsident vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e.V. (BDE).

Wie treibt der BDE die Kreislaufwirtschaft aktiv und institutionell voran?
Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist das Gebot der Stunde. Deshalb müssen wir unsere Wirtschaft transformieren, von einem linearen hin zu einem zirkulären Modell. Ressourcen müssen dabei bestmöglich im Kreislauf bleiben und dürfen nicht mehr bloß verbraucht werden. Das ist allerdings stoffstromspezifisch unterschiedlich. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass es bisher keinen dezidierten Verband der Kreislaufwirtschaft gegeben hat. Der BDE ist der Verband, der Kreisläufe bestmöglich zu schließen versucht, für die verschiedenen Stoffströme die notwendigen Instrumente entwickelt, diskutiert und deren Umsetzung begleitet. Wir möchten die Unternehmen als Mitglieder begrüßen, die so wirtschaften und produzieren, dass ihr Geschäftsmodell der Kreislaufwirtschaft entspricht. Es ist aus Energie-, Klima- und Rohstoffgründen so wichtig wie nie.

Gibt es Kooperationen mit Verbänden wie NGOs oder Universitäten – und was sind die konkreten Inhalte?
Ich kann ein aktuelles Beispiel aufgreifen. Da haben wir uns zusammen mit dem NABU in einem Brief an alle Landesumweltministerien dafür eingesetzt, dass wir schnell zu einem europaweiten Verbot dieser unsinnigen elektronischen Einwegzigaretten kommen. Es gibt eine breit angelegte Kooperation mit vielen Verbänden und NGOs. Alle zwei Jahre wird ein Statusbericht Kreislaufwirtschaft erstellt, dort zeigen wir der Öffentlichkeit: Wo stehen wir eigentlich, wo gibt es weitere Potenziale? Mit NGOs ist das gelebte Praxis, da planen wir auch gemeinsame Veranstaltungen. Bei Universitäten ist es etwas weniger üblich. Aber auch hier haben wir zu einzelnen interessierten Lehrstühlen, sehr gute Kontakte.

Was sollen Markenhersteller und Verpacker tun, um die Kreislaufwirtschaft anzukurbeln?
Ob Recycling gelingt, entscheidet sich beim Design. Wir haben bei Verpackungen ein Produkt, das dazu gemacht ist, möglichst schnell Abfall zu werden. Und wenn dann noch Kunststoff und andere langlebige Materialien dazukommen, dann haben wir natürlich ein Entsorgungsproblem mit einem geringstmöglichen Lebenszyklus. Wenn das Design des Produktes vermurkst wird, können Sie das Recycling vergessen. Verschiedene Kunststoffe, Verklebungen, unterschiedliche faserbasierte Materialien sind solche Beispiele. Die verklebte Batterie bei einem E-Roller führt zwar dazu, dass man sie nicht klauen kann. Sie lässt sich aber auch nicht recyceln, weil die Batterie anschließend als Sondermüll gilt. Hersteller müssen ihre Verantwortung für die Chancen, dass der Kreislauf geschlossen wird, noch besser verstehen. Deswegen begrüßen und unterstützen wir die Ökodesignüberlegungen in der Europäischen Union. Deswegen fordern wir auch produktspezifisch andere Maßnahmen. Und das macht eben auch deutlich, dass wir die Aufgabe eines reinen Entsorgerverbandes hinter uns gelassen haben – wir reden hier über Produktpolitik mit eminent wirtschaftspolitischen Aufgabenstellungen. 

Welche Materialien sind momentan am besten für die Kreislaufwirtschaft geeignet?
Generell gilt: Je sortenreiner die Materialien, desto wertvoller sind sie. Mit ihnen gibt es praktisch überhaupt keine Probleme beim Recycling. Das betrifft Aluminium, Kupfer, Eisen und Nichteisenmetalle. Auch bei Papier und Glas sieht es gut aus. Wir haben ein Problem im Mineralikbereich, das sind Bauabfälle, die mit weitem Abstand den größten Abfallstrom bilden. Der Kunststoffbereich fällt zwar mengenmäßig gegenüber der Mineralik überhaupt nicht ins Gewicht, ist aber trotzdem eine besondere Herausforderung, weil die natürliche Zersetzung teilweise mehrere 100 Jahre dauert. Das ist absurd für eine Verpackung, die eine minimale Nutzdauer hat.

Beim letzten Gespräch sagten sie, das angekündigte Recycling-Label, das der BDE seit langem fordert, wird für die notwendige Transparenz sorgen. Wie ist dort der aktuelle Stand?
Nein, das Label gibt es heute noch nicht. Aber es steht im Koalitionsvertrag, und der Bundestag hat einen ersten Etatposten im Haushalt zur Entwicklung dieses Recyclinglabels eingestellt. Insofern ist da schon was passiert. Das ist ein wichtiger Schritt, dass das Ministerium den politischen Auftrag und das Geld hat, jetzt was zu liefern. Kreislaufwirtschaft bleibt die Brücke zwischen dem Anspruch, wettbewerbsfähiger Industriestandort zu sein und trotzdem ambitionierte Klimaziele zu erreichen. Das Recycling-Label ist ein wichtiger Booster auf den Weg dorthin.

Peter Kurth ist seit 2008 BDE-Präsident. Davor war der 62-jährige Jurist u.a. Finanzsenator in Berlin und Mitglied im Vorstand des Berliner Entsorgers ALBA.
In seiner Freizeit bewirtschaftet er einen Bauernhof im Oderbruch.

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.