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30. Dez 2024

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Business

Hoffnung grüner Wasserstoff

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Shutterstock

Deutschland investiert massiv in den Ausbau von Wasserstofftankstellen. Mit ambitionierten Zielen und milliardenschweren Förderprogrammen steht das Land vor einer entscheidenden Phase der Energiewende.

Deutschland verfügt aktuell etwa über 100 Wasserstofftankstellen, ein europäischer Spitzenwert. Bis 2030 sollen noch etwa 400 Stationen entstehen, um die Nutzung wasserstoffbetriebener Fahrzeuge deutlich auszuweiten. Diese Expansion ist Teil eines übergeordneten Plans, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren und CO₂-Emissionen im Verkehrssektor zu senken. Ein Beispiel ist die Förderung einer neuen Wasserstofftankstelle in Berlin mit 1,3 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Diese soll die Versorgung von Bussen und Lkw sicherstellen, die einen Großteil der Wasserstoffnutzung im Verkehrssektor ausmachen. Die Wasserstoffstation wurde im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) gefördert. Im Rahmen des NIP sollen Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien zur Marktreife gebracht und die Tankinfrastruktur ausgebaut werden.

Insgesamt soll das Wasserstoff-Kernnetz laut Bundesregierung 9.700 km umfassen und in alle Bundesländer reichen sowie zentraler Teil eines europäischen Netzes werden. Wichtig bei der Entscheidung über den Verlauf sind große Industrieansiedlungen, die Vernetzung mit den Nachbarländern, aber auch große Produktionsstätten von Wasserstoff. Etwa 30 bis 50 Prozent des Wasserstoffes, so die Hoffnung, könnten in Deutschland hergestellt werden. Parallel dazu investiert die EU massiv in die Infrastruktur: Die Europäische Kommission hat im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften eine deutsche Förderung in Höhe von 350 Millionen Euro bewilligt, die die Produktion von grünem Wasserstoff voranbringen soll. Die deutsche Initiative passt zu den Zielen des REPowerEU-Plans sowie des Industrieplans für den europäischen Grünen Deal. Sie trägt dazu bei, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffimporten aus Russland weiter zu reduzieren und den ökologischen Wandel zu beschleunigen.

Trotzdem bleiben Kosten und der technologische Aufwand zentrale Herausforderungen. Eine Wasserstofftankstelle kostet bis zu zwei Millionen Euro in der Errichtung. Um die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten, sind sowohl steigende Fahrzeugzahlen als auch ein breiter Zugang zu grünem Wasserstoff nötig. Laut Experten wird ein flächendeckendes Netz erst dann effektiv genutzt, wenn Wasserstoff auch für Pkw attraktiver wird. Dennoch sehen viele die Wasserstofftechnologie als Schlüsselelement der Energiewende. Insbesondere für Schwerlastverkehr und Langstreckenmobilität bietet Wasserstoff klare Vorteile gegenüber batteriebasierten Lösungen. Der Erfolg hängt jedoch von der Integration nachhaltiger Produktionsmethoden, effizienter Verteilernetze und eines konsequenten politischen Willens ab. Kritiker bemängeln allerdings die hohen Kosten und die noch immer geringe Tankstellendichte, die insbesondere für Langstreckenfahrzeuge eine Herausforderung bleibt. Ein zentraler Baustein der nationalen Wasserstoffstrategie ist der Ausbau sogenannter H2-Hubs. Städte wie Hamburg, Frankfurt und München sollen als Modellregionen dienen, in denen Produktions- und Verbrauchsinfrastruktur Hand in Hand wachsen. Die Bundesregierung plant außerdem, die Förderprogramme für Investoren auszuweiten, um die Installation neuer Tankstellen zu beschleunigen. Für den Erfolg ist nicht nur der Ausbau des Tankstellennetzes entscheidend, sondern auch der Übergang zu vollständig grünem Wasserstoff.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.