16. Mär 2023
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Gesundheit
Journalist: Silja Ahlemeyer
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Foto: Laura Möllemann
Der Rückenspezialist Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer spricht im Interview darüber, wie man im Home-Office Rückenschmerzen vermeiden kann.
Professor Grönemeyer, halten Sie das Homeoffice aus gesundheitlicher Sicht für Fluch oder Segen?
Die meisten provisorisch eingerichteten Arbeitsplätze zuhause sind ergonomisch schlechter als im Büro, daher ist es häufiger Fluch als Segen. Zuhause neigt man auch eher dazu, Pausen wegzulassen und so regelrecht in der Arbeit zu verkrampfen. Dazu kommt, dass der Arbeitsweg wegfällt. Kein Sprint zum Bus, keine Radtour ins Büro – damit fehlt den meisten selbst dieses bisschen Bewegung am Tag.
Darf man am Schreibtisch auch mal „fläzen“ statt Geradesitzen?
An sich gibt es kein „falsches Sitzen“, sondern vielmehr zu langes Sitzen in der gleichen, zusammengekrümmten Position – das ist schlecht für den Rücken. Wer langes Sitzen nicht vermeiden kann, sollte wenigstens auf regelmäßige Lockerungsübungen achten und seine Haltung häufiger korrigieren.
Wie muss ein rückenfreundlicher Stuhl beschaffen sein?
Die Faustregel für Bürostühle: Die Sitzhöhe sollte zwischen 42 und 50 Zentimeter liegen. Das passt für den Großteil der Bevölkerung. Die Rückenlehne sollte außerdem mindestens 50 Zentimeter hoch sein und die Lenden stützen.
Auf welche ergonomischen Gegebenheiten sollte man sonst achten, wenn man im Homeoffice arbeitet?Richtig sitzt, wer Knie und Ellbogen im rechten Winkel beugt, mit den Fußsohlen auf dem Boden. Für die meisten ist dafür eine Tischhöhe von 72 Zentimetern ideal. Und der Computerbildschirm sollte bei aufrechter Haltung direkt auf Augenhöhe stehen.
Wenn es den Heimarbeiter doch erwischt hat: Was sind die wichtigsten Sofortmaßnahmen gegen Beschwerden im Schulter- und Nackenbereich?
Wenn Entspannungsübungen die Beschwerden nicht lösen, kann Wärme helfen: Kirschkernkissen, Salben, Wickel oder Bäder. Mein Tipp: Rosmarinöl als Badezusatz hilft zusätzlich gegen Muskelverspannungen.
Wie kann man Schmerzen im unteren Rücken lindern, besonders dann, wenn man trotzdem viel am Computer arbeiten muss?
Wärme oder Kälte können lindern, aber besser ist es, diesen Bereich gezielt zu trainieren. In meinem „Großen Rückenbuch“ habe ich eine passende Übung: Für den „Rückenkrauler“ braucht man nur eine Sportrolle und eine Wand zum „Kraulen“. Grundsätzlich empfehle ich aber einen ergonomischen Arbeitsplatz, damit es gar nicht erst zu Schmerzen kommt.
Wann sollte man mit Rückenschmerzen zum Arzt?
Bleiben die Schmerzen trotz mehr Bewegung, veränderter Körperhaltung und Massagen unverändert stark, sollte man zum Arzt gehen. Auch akute Beschwerden wie Taubheitsgefühle oder Muskelschwäche müssen sofort abgeklärt werden. Operationen können in vielen Fällen bei leichten Bandscheibenvorfällen durch eine Kombination von Mikrotherapie mit Krankengymnastik und Osteopathie vermieden werden. Auf der anderen Seite bitte nie vergessen: Mit gezielten Dehnübungen lassen sich viele Schmerzen beheben - denn 80 Prozent der Rückenbeschwerden sind auf Verspannungen der Muskeln und Faszien zurückzuführen.
Für viele heißt Homeoffice auch: mit dem Laptop auf der Couch arbeiten. Was ist daran problematisch und was wäre eine gesündere Alternative?
Laptops eignen sich weniger fürs Homeoffice – durch sie krümmt man sich schnell. Ein Wechsel auf die Couch dagegen kann zwischendurch sogar gut sein. So ändert man seine Haltung und lockert Muskeln und Gelenke. Doch dauerhaft ist das keine geeignete Alternative, besonders wenn am Laptop getippt wird.
Die Menschen nutzen auch ihr Handy immer mehr zum Arbeiten. Dabei kann es zum sogenannten „Smartphone-Nacken“ kommen. Was ist das?
Neueste Technik beeinflusst uns nicht immer zu unserem Vorteil. Smartphones und Tablets verleiten zu einer Fehlhaltung: Ständig steht oder sitzt man mit gesenktem Kopf da. Das kann zu Rücken- und Kopfschmerzen oder Nackenproblemen führen, denn schon eine leichte Beugung des Kopfes kann den Nacken mit 20 Kilogramm belasten.
Was können Handynutzer dagegen tun?
Eine möglichst neutrale Haltung einnehmen – sprich: das Smartphone auf Augenhöhe bringen und lieber die Augen als den Kopf bewegen. Wie bei der Arbeit im Homeoffice gilt außerdem auch bei Smartphones: Regelmäßig kurze Pausen vom Bildschirm einlegen und zwischendurch Lockerungsübungen für Schultern und Hals machen. Und öfter in die Ferne schauen – das entspannt Augen- und Nackenmuskulatur.