4. Mär 2025
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Gesundheit
Journalist: Katja Deutsch, Nadine Wagner
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Foto: © siehe Ordner
Im Interview spricht Wincent Weiss, Musiker, Coach bei The Voice Kids und Gast zahlreicher TV-Formate, offen über seine Erfahrungen mit mentaler Gesundheit, warum Familie – ob biologisch oder gewählt – ein wichtiger Anker ist und wie er heute bewusster mit sich selbst umgeht.
Wincent, du bist ständig unterwegs – Interviews, Konzerte, Studioarbeit. Wie gehst du mit dem Spagat zwischen öffentlichem Leben und Privatsphäre um? Mir ist es mittlerweile wichtig, sich bei meinem Lebensstil zwischendrin auch Zeit für mich zu nehmen und Zeit mit Freunden oder auch der Familie zu verbringen. Diese Auszeit darf dann auch sehr gerne abseits von Social Media und der Öffentlichkeit passieren. Früher habe ich die Balance nicht so wirklich hinbekommen, aber ich denke, ich werde immer besser.
Für dich hieß es lange: Höher, schneller, weiter. Allerdings hast du selbst gesagt, dass dich dieser Druck auch in dunkle Phasen geführt hat. Wann hast du das erste Mal gemerkt, dass du nicht mehr zur Ruhe kommst? In den beiden Jahren 2018 und 2019 habe ich etwa 120 Shows pro Jahr gespielt und es gab überhaupt keine Freizeit mehr für mich. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr allein sein kann und quasi nur noch auf den nächsten Job warte. Ich war einfach immer im Dauermodus und immer auf Sendung. Sobald ich dann mal kurz „frei“ hatte, war ich mit der Situation völlig überfordert und wusste nichts mehr mit mir anzufangen.
Manchmal nehme ich mir auch ganz gezielt ein paar Tage frei, an denen ich ganz entspannt bin und mich nur um mich kümmere. So schaffe ich es eigentlich ganz gut, die Balance zu halten und nicht in den alten „Trott“ zurückzufallen.
Woran hast du gemerkt, dass etwas nicht mehr ganz stimmt mit deiner Balance? Ich habe es schleichend realisiert und dann irgendwann gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann. Schließlich hat mich auch meine Mama darauf angesprochen und gefragt, warum ich mich so zurückziehe und abgrenze. Da wusste ich ganz klar, dass sich jetzt etwas ändern muss.
Wie sah die Unterstützung aus, die du dir geholt hast? Da ich mich in meinem Umfeld niemandem öffnen konnte und ehrlich gesagt auch nicht wollte, habe ich mir dann professionelle Unterstützung bei einer Therapeutin gesucht und regelmäßig mit ihr gesprochen. Das kann manchmal sehr schwierig sein, weil man jemanden finden muss, dem man sein ganzes Leben auf den Tisch legt. Ich habe einige ausprobiert und irgendwann die richtige Therapeutin gefunden, zum Glück. Sie hat mich ernst genommen, die richtigen Fragen gestellt, mich nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt – und das hat mir sehr geholfen.
Hast du durch deine Erfahrungen mit Depressionen vielleicht auch eine andere Vorstellung davon bekommen, was Familie bedeutet? Ich habe schon nochmal neu gelernt, wie wichtig es ist, eine Familie zu haben, die einem den Rückhalt gibt, den man in dieser Zeit braucht. Egal, ob das jetzt die leibliche Familie ist oder ob es Freunde sind, die zur Familie werden.
Meine Mama hat immer gesagt: „Ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper“.
Wie kannst du dir trotz vollem Terminkalender Ruhezonen schaffen? Zum einen spreche ich jetzt viel offener darüber und traue mich auch zu sagen, wenn es mir nicht so gut geht. Zum anderen versuche ich auch gezielt, Auszeiten in meinen Alltag einzubauen. Ich konzentriere mich auf meine Hobbys und treibe Sport oder unternehme etwas mit Freunden. Manchmal nehme ich mir auch ganz gezielt ein paar Tage frei, an denen ich ganz entspannt bin und mich nur um mich kümmere. So schaffe ich es eigentlich ganz gut, die Balance zu halten und nicht in den alten „Trott“ zurückzufallen.
Was tust du körperlich, um ausgeglichen und stabil zu bleiben? Ich mache ganz klassisch Kraft- und Ausdauertraining und versuche, viel draußen zu sein und Zeit in der Natur zu verbringen! Das bringt mich im wahrsten Sinne des Wortes wieder „auf den Boden“, erdet mich und macht auch den Kopf frei. Meine Mama hat immer gesagt: „Ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper“. Auf der Bühne zu stehen und Konzerte zu geben ist mein Leben, aber um das hoffentlich noch lange machen zu können, brauche ich auch genügend Fitness und Kraft.
Wie wichtig ist es für dich, dass Künstler über psychische Gesundheit sprechen und das Thema enttabuisieren? Heutzutage empfinde ich es gar nicht mehr so sehr als Tabuthema, da der Umgang viel offener geworden ist, aber prinzipiell soll jeder Künstler selbst entscheiden, wie viel er preisgeben möchte. Trotzdem ist es natürlich schön zu sehen, dass man so viele Menschen damit erreichen kann.