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11. Dez 2023

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Business

„In guten wie in schlechten Zeiten“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Jochen Rolfes

Die Chancen von Gründungen hängen nicht in erster Linie von der Wirtschaftslage ab. Entscheidender sind andere Dinge, meint Marc S. Tenbieg vom DMB.

Herr Tenbieg, die Wirtschaft läuft holprig – haben wir gerade eine gute Zeit, um ein Unternehmen zu gründen?

Grundsätzlich ist es immer möglich, ein Unternehmen zu gründen – in guten wie in schlechten Zeiten. Man muss motiviert sein, sich im Klaren darüber sein, worauf man sich einlässt, und ein Netzwerk haben. Und natürlich stehen und fallen die Chancen mit der Geschäftsidee. Also ja: Man kann auch derzeit mit Erfolg gründen.

 

Junge Unternehmer gelten oft als Innovationstreiber der digitalen Transformation. Spielen sie daher eine besonders wichtige Rolle für die deutsche Wirtschaft?

Ein klares Ja. Denn die jungen Leute haben einen anderen Zugang zu digitalen Themen, zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen und zur Nutzung digitaler Tools, als die älteren. Junge Unternehmen sind Nutzer und Treiber der Digitalisierung zugleich. Daher gibt es auch eine ganze Reihe gut eingeführter Bestandsunternehmen, die Start-ups Unterstützung bieten, zum Beispiel im Rahmen einer Beteiligung mit Kapital und Ressourcen. Denn sie sind selbst auch auf die Innovationen angewiesen. Es ist wichtig, Mittelstand und Gründer noch besser zusammenzuführen.

 

Gilt das auch für das Thema Nachhaltigkeit?

Ganz sicher. Viele junge Unternehmerinnen und Unternehmer möchten die Versäumnisse der älteren in puncto Klimaschutz beim Aufbau ihres eigenen Unternehmens und ihrer eigenen Geschäftsidee vermeiden. Allerdings sollte man daraus keine Generationenfrage machen, denn auch viele ältere Menschen achten natürlich auf den Klima- und Umweltschutz. Viele Unternehmen, ganz gleich ob jung oder Bestand, sehen auch die Wettbewerbsvorteile, die sie mit dem Thema Nachhaltigkeit erzielen können. Aber ich denke, das Thema treibt die Jüngeren im Allgemeinen stärker an und so werden sie zum Treiber der Dekarbonisierung. In diesem Bereich gibt es daher auch sehr viele Gründungen und sie sind zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden.

 

Halten Sie die Förderung solcher Unternehmen hierzulande für ausreichend?

Der Begriff „Förderung“ darf nicht auf die finanzielle Unterstützung durch den Staat reduziert werden. Ich denke, der Staat sollte auf anderen Gebieten stärker fördern als derzeit. Zum Beispiel sollte er den leichteren Zugang zu privaten Geldgebern unterstützen. Und es wäre ganz wichtig, die allgemeinen Rahmenbedingungen zu verbessern, damit Start-ups schneller die Chance haben, Geld zu verdienen.

 

Was meinen Sie?

Wir müssen die Bürokratie abbauen, die langen Verwaltungszeiten verkürzen und die digitale Infrastruktur ausbauen. Und natürlich müssen die hohen Energiepreise sinken. Sonst besteht die Gefahr, dass sich manche Unternehmen woanders umschauen.

 

Hoffen Sie in absehbarer Zeit auf Verbesserungen?

An den Rahmenbedingungen für junge Unternehmen wird sich wohl in den nächsten ein bis zwei Jahren nichts ändern, denn die Bürokratie abzubauen geht nicht von heute auf morgen. Ich glaube, dass wir neue Programme zur besseren Unterstützung von Gründern brauchen – die KfW könnte ihr Angebot beispielsweise ausweiten. Es gibt außerdem sehr viel private Investoren, die Themen suchen – darin liegt eine gute Chance für Start-ups.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.