24. Sep 2025
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Gesundheit
Journalist: Gunnar von der Geest
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Foto: Nappy/unsplash, Mariia Streltsova
Seit 2020 können Ärzte und Therapeuten auch „Apps auf Rezept“ verordnen. Diese sollen helfen, die wachsende Anzahl von Patienten bei knappen Ressourcen gut zu versorgen.
Prof. Dr. Georg Osterhoff, Professor für Traumatologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin
„Herr Doktor, ich habe vorab recherchiert, leide wohl unter Krankheit xy und würde folgende Tabletten präferieren…“ Zunehmend berichten Ärzte davon, dass ihre Patienten via Internet bereits Anamnese und Behandlungsplanung vorgenommen haben. Einerseits ist es zu begrüßen, wenn sich Menschen aufgeschlossen gegenüber digitalen Anwendungen zeigen. Andererseits birgt vor allem die „Selbstdiagnose“ aufgrund von mehr oder weniger seriösen Web-Portalen und Blogs zahlreiche Gefahren. Zumal es kein Zufall ist, dass in Deutschland die gesamte Ausbildung vom Medizinstudium bis zum Facharzt bis zu zwölf Jahre dauert. Eine innovative Entwicklung, die von wichtigen „Playern“ im Gesundheitsweisen gefördert wird, sind indes „Apps auf Rezept“, offiziell als „Digitale Gesundheitsanwendungen“ (DiGA) bezeichnet. Vor fünf Jahren führte Deutschland – als erstes Land – DiGA ein und leistete damit international Pionierarbeit. Im Gegensatz zu Gesundheits- und Fitness-Apps, die beispielsweise Kalorien oder Schritte zählen, handelt es sich bei DiGA um nach strengsten Regeln zertifizierte Medizinprodukte für Smartphones, Tablet-PCs oder Computer. Ärzte und Therapeuten können entsprechende Apps verordnen, die bei der Behandlung von Erkrankungen oder dem Ausgleich von Beeinträchtigungen unterstützen sollen. Alle gesetzlich Krankenversicherten haben Anspruch auf eine Versorgung mit DiGA. Die Krankenkassen versenden einen Freischaltcode, mit dem ihre Mitglieder die DiGA aktivieren können. Laut Recherchen der „Apotheken Umschau“ (15.8.2025) belaufen sich die Entwicklungskosten je App auf bis zu eine Million Euro. Hinzu kämen 300.000 bis 950.000 Euro für Zertifikate zu Datenschutz, Funktionalität und Nutzerfreundlichkeit. Derzeit sind 44 Apps unbefristet beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet (Stand: 21.7.2025). Eine Übersicht zeigt alle erstattungsfähigen DiGA und die jeweiligen Erkrankungen, bei denen sie eingesetzt werden können.
DiGA erlauben Ärzten eine kontinuierliche Betreuung ihrer Patienten auch über größere örtliche und zeitliche Distanzen hinweg.
„DiGA erlauben Ärzten eine kontinuierliche Betreuung ihrer Patienten auch über größere örtliche und zeitliche Distanzen hinweg. Sie dokumentieren beispielsweise Übungen, welche die Personen zu Hause machen. Das ermöglicht den Behandlungsteams, Fortschritte zu verfolgen und bei Problemen früh zu unterstützen“, erklärt Prof. Dr. Georg Osterhoff. Der 44-Jährige übernahm zum 1. Juli 2025 die Professur für Traumatologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Durch die Verschreibung von DiGA entfällt die Notwendigkeit für viele Routine-Besuche beim Arzt oder in der Physiotherapie. Das spart Kosten für das Gesundheitssystem und schafft Ressourcen für eine tiefergehende Betreuung“, ergänzt Osterhoff, zugleich Ärztlicher Direktor (Unfallchirurgie, Orthopädie) am BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin – und Digitalisierungsexperte im Medizinbereich. Fünf Jahre nach Einführung der „App auf Rezept“ besteht allerdings noch „Luft nach oben“. Laut Analyse des Zentralinstituts (ZI) für die kassenärztliche Versorgung gab es 2024 rund 400.000 Verordnungen für DiGA, aber etwa 700 Millionen kassenärztlich verordnete Arzneimittel. Die „Operation DiGA“ ist eben komplex und erfordert viel Aufklärungsarbeit.
Durch die Verschreibung von DiGA entfällt die Notwendigkeit für viele Routine-Besuche beim Arzt oder in der Physiotherapie.
Welche DiGA gibt es? Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt alle erstattungsfähigen DiGA auf, u. a. für folgende Erkrankungen: Stoffwechsel (z. B. Diabetes), Herz-Kreislauf, Krebs, Muskeln/Knochen/Gelenke, Psyche (z. B. Depressionen), Nervensystem, Geschlechtsorgane, Ohren (z. B. Tinnitus), Sprech- und Sprachzentrum, Verdauungstrakt. www.diga.bfarm.de/de