22. Dez 2021
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Gesellschaft
Journalist: Theo Hoffman
Dr. Kristian Kersting ist Professor für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen am Fachbereich Informatik der Technischen Universität Darmstadt und Co-Direktor des Hessischen Zentrums für Künstliche Intelligenz (hessian.AI) und spricht im Interview über den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Baubranche.
Warum wird KI und Robotik in der Baubranche immer wichtiger und welchen Anteil haben die Universitäten daran?
An der TU Darmstadt und dem hessischen Zentrum für Künstliche Intelligenz haben wir es frühzeitig geschafft, die duale Doktorandenausbildung, vor allem auch mit Blick auf KI, voranzutreiben. KI funktioniert mit Blick auch auf andere Sektoren anders. Wir müssen es schaffen, dass die Kompetenz für KI irgendwann in den Firmen vorhanden ist. Uns freut es, dass die Global Player der Baubranche auch dieser Meinung sind. Viele von ihnen haben verstanden, dass sie in Zukunft nicht nur ein Bauunternehmen sind, sondern an intelligenten Infrastrukturen arbeiten müssen, sich also wandeln müssen, um die Transformation hin zur KI irgendwie zu schaffen. Das ist extrem spannend, weil man es ja auch hinbekommen muss, mehreren 10.000 Mitarbeiter dieses Gebiet näher zu bringen. Wir haben deshalb Kooperationen geschaffen, wie wir die Ausbildung dahingehend gemeinsam gestalten können. Sowohl in der Grundlagenforschung als auch mit Anwendungen. Universitäten, Forschungsinstitute, Startups und Firmen müssen ein Ökosystem bilden, um diese Herausforderungen der KI-Transformation voranzutreiben.
Das spielt ja etwa bei Produktionsaus-fällen und Lieferkettenproblemen eine enorm wichtige Rolle.
Wir brauchen eine KI in Verbindung mit agierenden Experten, mit anderen Menschen und Methoden. Es gibt das Leuchtturmprojekt Spaicer vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). Dabei geht es um Fragen, inwiefern man die Produktion resilienter, also robuster gegenüber externen Einflüssen, gestalten kann. Wir erleben es immer wieder, dass eine Lieferkette zusammenbricht. Wie reagieren wir darauf? Mit KI können Systeme entwickelt werden, die sozusagen alles überblicken können. KI kann Nachrichten lesen und mit Meldungen von Logistikern zusammenführen. Die Lieferketten können in einem Gesamtbild zusammengeführt werden, ganz im Sinne eines „connecting the dots“. Das ermöglicht Frühwarnungen, wo Lieferketten möglicherweise zusammenbrechen könnten. Mit Hilfe von Experten kann man KI-Systeme dann auch dahin bringen, selbst Lösungen zu finden. Daran forschen wir zusammen mit dem DFKI, der Uni Freiburg und vielen Unternehmen. Oder schauen wir uns den Maschinenbau an. Hier fragt man sich schon lange, ob wir heute nicht einen ganz neuen Typus von Ingenieur brauchen, der eine Kombination aus klassischem Ingenieur und Informatiker ist.
Geben Sie uns ein Beispiel, welche immensen Vorteile KI und Machine Learning im Bau bringen können?
Mir sagte man mal, dass Baukonzerne immer gerne abwarten, so lange bis andere eine neue Technologie annehmen. Erst dann wird diese auch im Baugewerbe eingesetzt. Aber sie sehen alle eine große Chance in der KI, und HochTief arbeitet mit der TU Darmstadt eng zusammen. Bei einem Projekt an unserer Uni geht es z. B. um den digitalen Zwilling der Baustelle. Wenn etwa bestimmte Fensterrahmen nicht geliefert werden können, muss man schnell auf andere Produkte umstellen. Dafür muss man aber auch umgehend wissen, ob diese Fenster da überhaupt reinpassen. Am besten wäre es in einem solchen Fall, das gleich elektronisch zu checken. In Bayern gibt es zum Beispiel Start-ups, die eine Baustelle mit Lasern vermessen. Diese Technik kann man hierfür nutzen. Im Baugewerbe liegt ein großes Zukunftspotenzial der KI.