3. Nov 2020
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Gesellschaft
Journalist: Armin Fuhrer
Digitales Lernen und mobiles Arbeiten bringen Herausforde-rungen mit sich – aber auch große Chancen, sagt der Experte Joachim Niemeier.
Im vergangenen Corona-Sommersemester hat sich als Trend gezeigt, dass sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden die Digitalisierung des Lernens und Lehrens mit viel Offenheit und Engagement angegangen sind. Was die Lernwelt (und auch die Arbeitswelt) angeht, so haben wir so viele Erfahrungen gemacht, die es unwahrscheinlich erscheinen lassen, so einfach wieder
in den alten Zustand zurückzukehren. Trotz vielfältiger Schwachstellen, die bei der Umstellung aufgetreten sind, werden die Vorteile in der hohen Flexibilität bei der individuellen Gestaltung der Lernprozesse gesehen. Es gab auch ein großes Interesse und eine regelrechte Experimentierfreude, neue digitale Methoden kennenzulernen. Der Erfolgsfaktor für die Umstellung waren die Bereitschaft und die Kompetenzen zum eigenständigen Lernen bei den Lernenden. Die Dozenten mussten sich daran gewöhnen, dass digitales Lehren nicht bedeuten kann, die vorhandene PowerPoint-Präsentation jetzt im Internet anstelle im Hörsaal zu präsentieren.
Ganz klar hapert es zunächst einmal am direkten Kontakt zu anderen. Eine klassische Lernplattform, ein Learning Management System, kann kein Campusleben abbilden. Viele Studierende sind es zwar gewohnt, sich häufig im privaten Bereich mit ihren „Freunden“ virtuell auszutauschen, wenn es aber darum geht, im Studium solche Peer-to-Peer-Kontakte aufzubauen, dann herrscht häufig Ratlosigkeit. Obwohl eine Vernetzung mit anderen Lernenden, den Lehrenden, den Lernbegleitern oder Mentoren durchaus nachhaltig im virtuellen Raum etabliert werden kann.
Homeoffice und mobiles Arbeiten sind Alltag geworden. In einer aktuellen Befragung geben 70 % der Unternehmen an, dass ihre Mitarbeitenden komplett oder größtenteils im Homeoffice arbeiten. Wir konnten viele Erfahrungen sammeln, welche Vor- und Nachteile die neuen Arbeitsformen haben. Wichtiger denn je sind die klare Kommunikation, Transparenz und die Teilhabe der Beschäftigten. Die Führung hat sich verändert. Zielorientiertes Führen steht dabei im Mittelpunkt. Der Wert der Arbeit wird anhand der Ergebnisse gemessen und nicht mehr anhand der Zeit, die die Mitarbeitenden im Büro verbringen.
Unternehmen stehen vor Herausforderungen, wie wir sie bislang nicht erlebt haben. Geschäftsmodelle wurden in Rekordzeit zerlegt und müssen jetzt neu zusammengefügt werden. Die Führungskultur wird sich weiterentwickeln. Auch wenn in Zukunft wieder mehr Mitarbeitende in die Büros zurückkehren, wird für Führungskräfte gelten: Moderation statt Kontrolle, Vertrauen statt Misstrauen, Freiräume statt Restriktionen. Gerade das Vertrauen spielt eine große Rolle.