30. Sep 2021
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Gesellschaft
Journalist: Dr. Patrick Graichen
Den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen, zwei Prozent der Landesfläche rechtsicher für Windräder bereitstellen und den Ausbau von Windkraft und Solarenergie doppelt bis dreifach so schnell voranbringen: Damit Deutschland auf Kurs bei den gesetzlich festgeschriebenen Klimazielen kommt, muss die nächste Bundesregierung in ihren ersten 100 Tagen das größte Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg zu bringen, das es in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben hat. Denn die Entscheidungen in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung bestimmen maßgeblich über den Erfolg der Klimapolitik in der nächsten Legislaturperiode und ob wir die gesetzlich verbindlichen Klimaziele erfüllen werden.
Aktuell ist Deutschland weit davon entfernt, die im neuen Klimaschutzgesetz vereinbarten Ziele von mindestens 65 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 und Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Die jüngsten Treibhausgas-Prognosen zeigen sogar, dass Deutschlands Emissionen 2021 wieder stark ansteigen. Somit hat die Bundesregierung 2020 ihr Klimaziel von minus 40 Prozent gegenüber 1990 nur aufgrund des Corona-Sondereffekts erreicht.
Aber was heißt das konkret? Wir haben einen Vorschlag für ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorgelegt, mit den wichtigsten Stellschrauben für die Energiewirtschaft, Verkehr, Gebäude, Industrie und Landwirtschaft: Vor allem muss die nächste Regierung beim Ausbau Erneuerbarer Energien Tempo machen, indem sie die Blockade beim Windkraftausbau löst und den Ausbau der Solarenergie massiv vorantreibt. Dafür müssen ausreichend Flächen bereitgestellt und die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden – derzeit braucht die Genehmigung für ein Windprojekt bis zu fünf Jahre. Zugleich braucht es mehr Förderung für CO₂-freies Heizen und Klimaschutzverträge für Industrieunternehmen, mit denen die Mehrkosten von klimaneutralen Technologien überbrückt werden. Ebenso ist es Regierungsaufgabe, für sinkende Strompreise und steigende CO₂-Preise zu sorgen, damit grüne Technologie wie das Elektroauto und die Wärmepumpe zum günstigen Standard werden kann. Gleichzeitig sorgt ein sinkender Strompreis für einen sozialen Ausgleich der Mehrkosten für Benzin und Co. Auch der klimaneutrale Umbau der Industrie und der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft müssen gemeinsam von Industrie und Bundesregierung vorangebracht werden. Und die bisher bestenfalls zaghaft begonnene Verkehrs- und Agrarwende muss endlich entschlossen umgesetzt werden.
Um all diese Maßnahmen zu finanzieren, schlagen wir vor, dass die nächste Bundesregierung einen Klima-Haushalt aufstellt, der jährlich 30 Milliarden Euro für Klimaschutzinvestitionen bereitstellt. Zum Vergleich: Allein die Flutschäden in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen kosten Bund und Länder 30 Milliarden Euro. Eine Dekade des Investierens in Klimaschutz muss nun anbrechen, um die dringend erforderlichen Maßnahmen für eine klimaneutrale Zukunft auf den Weg zu bringen.
Ob auf Ziele Taten folgen, entscheidet die Klimapolitik der nächsten Regierung. Es liegt in ihrer Hand, ob wir unseren gerechten Klimaschutzbeitrag für kommende Generationen leisten und den Industriestandort Deutschland zukunftssicher aufstellen.