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29. Sep 2022

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Gesellschaft

„Kreislaufwirtschaft ist der Ausweg“

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Presse/WWF

Der WWF Deutschland hilft Unternehmen bei der Umsetzung, sich nachhaltig auszurichten. Wie die Kreislaufwirtschaft real umsetzbar ist und was die Umweltorganisation von Konzernen erwartet, verrät Silke Düwel-Rieth, Director Sustainable Business & Markets im Interview.

Welchen konkreten Mehrwert bietet Unternehmen eine Kooperation mit dem WWF?

Unternehmen spüren die Auswirkungen der Klima- und Biodiversitätskrise bereits. Der WWF hilft den notwendigen Wandel zu gestalten und zu strukturieren. Das World Economic Forum hat ja 50 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung als direkt mit der Natur verknüpft definiert. Bereits jetzt kommt es zu Knappheit und Ausfall von Rohstoffen, langen Wartezeiten sowie hohen Kosten. Wir verstehen diese Zusammenarbeit mit Akteuren der Wirtschaft als Teil ganzheitlichen Lösungsansatzes – und sind davon überzeugt, dass wir diesen bedrohten Planeten nur gemeinsam retten können.

Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, um mit dem WWF zu kooperieren?

Es braucht auf jeden Fall einen Dialog, Veränderungsbereitschaft und eine Bereitschaft zu größtmöglicher Transparenz sowie einer regelmäßigen Messung des Fortschritts. Wir definieren Vereinbarungen zu Beginn der Kooperation. Zum Beispiel, dass ein Unternehmen sich ein sogenanntes Science Based Target setzen muss zum Erreichen des 1,5-Grad-Limits, wie im Pariser Klimaabkommen definiert. Und wenn solche Vereinbarungen eben bis zu einem gewissen Zeitpunkt nicht gesetzt und verfolgt werden, behalten wir uns auch vor, Kooperationen wieder aufzuheben. Ein absolutes No-Go für uns sind etwa Menschenrechtsverletzungen oder Tierversuche.

Für eine nachhaltige Transformation müssen Lieferketten, Wertschöpfungsprozesse und Finanzströme grundlegend verändert werden. Wie helfen Sie Unternehmen konkret bei der Umsetzung?

Wir helfen Unternehmen dabei, sich an den Belastungsgrenzen unseres Planeten und an internationalen Zielvereinbarungen auszurichten. Letztlich können wir der Erde nicht ohne Ende Rohstoffe, Wasser oder Holz entnehmen. Unternehmen zeigen wir ganz konkret, welche wissenschaftsbasierten Ziele sie sich setzen und welche Maßnahmen sie angehen müssen, um nachhaltig zu agieren.

Welche Projekte in Zusammenarbeit mit Unternehmen setzten Maßstäbe? Und was ist zukünftig noch möglich?

Ein Unternehmen ist in Modellprojekten des WWF in Vietnam und Thailand aktiv. Sie bauen dort ein regionales Umweltmanagement mit auf, um Plastik in den Meeren zu minimieren oder ganz zu stoppen. Die aktuellste Kooperation setzt Maßstäbe für die Zukunft: Im Prinzip geht es darum, die Temperatur beim Wäschewaschen zu senken. Die Temperatur macht einen großen Teil des CO2-Fußabdrucks beim Wäschewaschen aus. Unser Kooperationspartner übernimmt hier Verantwortung für seine nachgelagerten Scope-3-Emissionen und versuchte auch diese zu verringern.

Gibt es Branchen, mit denen eine Kooperation unmöglich ist?

Absolut. Waffensysteme, Atomkraft, aber auch fossile Industrien – also Erdgas, Erdöl. Zudem sind wir der Überzeugung, dass einige Branchen auslaufende Geschäftsmodelle haben. Das Geschäftsmodell des Kohlebergbaus lässt sich nicht nachhaltig transformieren. Greenwashing eines Mineralölkonzerns etwa gibt es mit uns nicht.

Kaum ein Weg führt schneller aus der Klima- und Biodiversitätskrise als Kreislaufwirtschaft. Doch wie gelingt dieser Weg im Einklang von wirtschaftlichen und ökologischen Interessen?

Aus meiner Perspektive würde ich das gar nicht so sehr trennen. Wir haben jetzt gerade den Earth Overshoot Day am 28. Juli erlebt. Das ist der Tag, an dem wir mehr an biologischen Ressourcen nehmen, als die Welt im Laufe eines Jahres regenerieren kann. Im Sinne eines Risikomanagements tut jedes Unternehmen gut daran, sich über den eigenen Ressourcenverbrauch zu informieren und aus der Linearität des Wirtschaftsmodells sukzessive auszusteigen. Wenn ich die Ressourcen nicht habe, dann kann ich auch nicht wirtschaften. Wir müssen einfach wegkommen von diesem Produzieren, Nutzen, Wegwerfen. Das hat uns in eine totale Sackgasse geführt – und die Kreislaufwirtschaft holt uns da wieder raus.

In der EU sind andere Staaten aktuell Vorreiter in der Kreislaufwirtschaft. Was muss getan werden, um das Thema auch in Deutschland zu forcieren?

Es braucht von der Politik eine regulatorische Landschaft, die Circular Economy befähigt und auch selbst in der öffentlichen Beschaffung als Vorbild agiert. Konsumentinnen müssen zirkuläre Produkte verstehen und die Vorteile erkennen. Das kann beispielsweise über Informationen zur Reparierbarkeit und zum Einsatz von Rohstoffen im jeweiligen Produkt geschehen.

 

Silke Düwel-Rieth leitet beim WWF Deutschland den Fachbereich Wirtschaft & Märkte. Gemeinsam mit ihrem Team treibt sie die transformative Arbeit des WWF in den Märkten und mit Unternehmen voran. Wenn sie nicht für den WWF im Einsatz ist, erkundet sie mit ihrem Hund die Landschaft rund um Berlin.

 

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.