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29. Sep 2022

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Gesellschaft

„Kunststoff als Verpackung ist nachhaltig“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Sarah Chai/Pexels

Warum es falsch ist, das Material zu verteufeln, erklärt Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer des Industrievereinigung Kunststoffverpackungen.

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Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer des Industrievereinigung Kunststoffverpackungen; Foto: Presse

Herr Engelmann, Hand aufs Herz: Können Sie sich vorstellen, dass wir in Zukunft auf Kunststoffverpackungen völlig verzichten können?

Nein, das glaube ich nicht. Im Gegenteil, wir werden in der Zukunft mehr Verpackungen aus Kunststoff verwenden als jetzt. Kunststoff ist das Material des 21. Jahrhundert, trotz der Diskussionen darüber.

Warum glauben Sie das?

Immer mehr Menschen leben in den Städten und damit entfernt von den Gegenden, in denen Lebensmittel hergestellt werden. Diese Lebensmittel müssen also zu den Menschen gebracht werden und dafür braucht es insbesondere Kunststoffverpackungen. Sie vermindern den Verlust an Waren auf dem Weg vom Feld in den Supermarkt. Ein Beispiel: Bei unverpackten Gurken aus Spanien kommt es während des Transports nach Deutschland zu einem Verlust von zehn Prozent. Bei in eine dünne Kunststofffolie verpackten Gurken ist der Verlust um die Hälfte geringer. Es wird häufig übersehen, dass Kunststoffverpackungen ein Beitrag zur Nachhaltigkeit sind.

Und im Haushalt der Konsumenten?

Es gibt Studien der UN-Lebensmittelbehörde, nach denen 50 Prozent der Lebensmittelabfälle im Haushalt entstehen und die Hälfte davon vermeidbar ist – eine sehr große unnötige Verschwendung. Die Konsumenten müssen besser planen, was sie wirklich benötigen, aber es geht auch um die Haltbarkeit der Lebensmittel. Durch Verpackungen können Lebensmittel länger genutzt werden und bleiben länger frisch. Und unter dem Aspekt des Klimaschutzes ist auch wichtig, dass die Verpackungen leicht sind, denn das spart CO2-Emissionen beim Transport. Insgesamt bieten Kunststoffverpackungen häufig die beste Variante. 

Also sind Verpackungen aus Kunststoff bei Lebensmitteln ein Beitrag zur Nachhaltigkeit?

Genauso ist es. Lebensmittel sorgen für ein Fünftel aller CO2-Emissionen. Um diesen Fußabdruck zu verkleinern, macht es Sinn, die unnötige Verschwendung auf dem Transport und in den Haushalten zu senken. Das klappt vor allem mit Kunststoffverpackungen.

Sie haben aber noch mehr als nur eine Schutzfunktion, oder?

Es gibt die Werbefunktion, die für die Anbieter wichtig ist und zur Unterscheidbarkeit der Waren beiträgt. Wichtiger sind darüber hinaus die Informationen, die die Verpackungen über die Ware bieten. Dazu gehören Dinge wie die Mindesthaltbarkeit oder Angaben zu den Nährwerten, ebenso wie die Sortierhinweise für die Verpackungen ihrem Material entsprechend.

Wie steht es mit dem Recycling?

Die Branche hat sicher noch Nachholbedarf, was Recyclingquoten betrifft. Allerdings sind wir in Deutschland schon sehr weit. Wir haben beim wertstofflichen Recycling von Kunststoffverpackungen aus dem gelben Sack 2020 nach offiziellen Zahlen einen Wert von mehr als 60 Prozent erreicht. Das ist ein gewaltiger Sprung, den ich zwei oder drei Jahre früher kaum für möglich gehalten hätte. Das Thema Export von Abfall spielt dagegen fast keine Rolle mehr. Mehr als 80 Prozent der Kunststoffverpackungen im gelben Sack werden in Deutschland wertstofflich recycelt, nur drei Prozent außerhalb der EU, zum Beispiel in der Türkei oder der Schweiz. Dass unsere Kunststoffverpackungen nach Malaysia exportiert oder überwiegend verbrannt werden, sind Mythen, die mit der Gegenwart nichts mehr zu tun haben.

Wie sieht es beim Mehrwegsystem aus?

In Deutschland existiert ein gutes Pfandsystem, und das gilt sowohl für Einweg- als auch für Mehrwegflaschen, egal ob aus Glas oder Kunststoff. Beim Einwegsystem wird nicht die Flasche wiederverwendet, sondern das Material. Das klappt so gut, dass andere Branchen sehr interessiert an dem Material sind. Zum Beispiel bieten Autohersteller Sitze aus recycelten PET-Flaschen an.

Beim Mehrwegsystem ist das wichtigste Kriterium die Frage, wie oft das Material wiederverwendet werden kann. Ein Problem ist oft der lange Transport der leeren Flaschen quer durch die ganze Republik. Das ist für die CO2-Bilanz katastrophal. Wichtig sind auch, dass der Aufwand für die Reinigung nicht zu hoch ist, gerade in Zeiten, in denen die Energiepreise hochschnellen. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, bieten Mehrwegsysteme Vorteile gegenüber Einwegsystemen.

Wie weit ist das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Verpackungsbranche ausgeprägt?

Unsere Mitgliedsunternehmen arbeiten schon seit Jahrzehnten an umweltfreundlichen Verpackungen. Die Politik behauptet gern, dass die Branche erst dann reagiert, wenn sie ihr Vorgaben macht. Das Gegenteil aber ist der Fall. Die Industrie hat sich bereits 2017 sehr ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2025 sollen 90 Prozent der Haushaltsverpackungen recycelbar oder mehrwegfähig sein und der Anteil von recycelten Kunststoffen in Verpackungen soll von 400.000 auf eine Million Tonnen steigen. Das ist sehr ehrgeizig, aber unter großen Anstrengungen machbar. Die Politik, vor allem die EU-Kommission, ist dagegen sehr gut darin, Ziele und Forderungen zu veröffentlichen – aber leider hapert es anschließend daran, die konkreten gesetzlichen Vorgaben zu erarbeiten. Die Verpackungsindustrie aber benötigt schnell klare Ansagen, damit sie in die notwendigen Anlagen investieren kann. 

Die Vermittlung von Wissen zu schwierigen Themen ist eine Herausforderung, der sich Martin Engelmann gern stellt. Der Jurist, verheirateter Vater von zwei Kindern, möchte damit Entscheidungen in Politik und Wirtschaft vorantreiben. Wenn er entspannen möchte, taucht er gern mal ab – im wahrsten Sinne des Wortes, denn Engelmann ist Hobbytaucher.

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.