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6. Sep 2024

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Business

Leadership und die Rolle von KI – mit Dr. Sylke Piéch

Journalist: Julia Butz

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Foto: Campaign Creators/unsplash, Presse

Wie KI Führung verändert erläutert Dr. Sylke Piéch, Expertin für Künstliche Intelligenz im Kontext von Leadership, Arbeit und Bildung.

Dr. Sylke Piéch_onilne.jpg Dr. Sylke Piéch, Bereichsverantwortliche: KI & Leadership am Educational Technology Lab, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH, DFKI

Der verstärkte Einsatz von Künstlicher Intelligenz verändert die Arbeitswelt und Kultur von Organisationen in rasantem Tempo und wirkt sich insbesondere auf Führungskräfte und ihre Aufgaben aus. Um in einer zunehmend von KI geprägten Arbeitswelt erfolgreich zu sein, ist es für Führungskräfte entscheidend, ein grundlegendes Verständnis von KI und Datenkompetenz zu erlangen. Strategisches Denken und Innovationsmanagement sind ebenso unerlässlich wie Agilität und Resilienz im Veränderungsmanagement. Der Mensch und die dazugehörige Kommunikations- und Teamfähigkeit stehen aber trotz des technologischen Fortschritts im Mittelpunkt. So benennt Dr. Sylke Piéch, Bereichsverantwortliche KI & Leadership am Educational Technology Lab des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz GmbH einige der Schlüsselkompetenzen, die von heutigen Führungskräften erwartet werden. Zudem sind: „Wertschätzung, Empathie sowie soziale und emotionale Intelligenz wichtig, damit die Führungskräfte ihre Mitarbeitenden optimal durch die digitalen Veränderungsprozesse begleiten können. Darüber hinaus ist ein ethisches Urteilsvermögen entscheidend, um verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, Vertrauen und Integrität zu fördern.“

Aus der Vielzahl der komplexen inhaltlichen Herausforderungen im Umgang mit neuen Technologien bewertet Dr. Piéch die Auswahl und Implementierung geeigneter KI-Systeme in bestehende Arbeitsprozesse sowie die Gewinnung der Mitarbeitenden als ausschlaggebend: „Mögliche Ängste, z. B. vor Arbeitsplatzverlust und Überwachung, müssen abgebaut und gemeinsam Lösungen und Perspektiven entwickelt werden.“ Führungskräfte sollten klar kommunizieren, welchen Mehrwert KI-Systeme für jeden Einzelnen bieten und wie die neue Aufgaben- und Rollenverteilung gestaltet wird: „Der Einsatz von KI-Systemen unterstützt z. B. bei Entscheidungsprozessen und die Automatisierung von Routineaufgaben schafft mehr Zeit für strategische und kreative Tätigkeiten.“ Für Führungskräfte ist es entscheidend, einen neuen Umgang mit der zunehmenden Komplexität und Geschwindigkeit zu finden. Insbesondere, da die rasante technologische Entwicklung den Druck erhöht, auch in mehrdeutigen Situationen schnell und fundiert zu reagieren und zügig Entscheidungen zu treffen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Über agile und partizipative Ansätze kann es nach Dr. Piéch gelingen, Führungsmodelle entsprechend dynamisch anzupassen und mögliche Unsicherheit in Innovation umzuwandeln. Ansätze, die neben einer kontinuierlichen Weiterbildung und dem strategischen Risikomanagement ebenso die ethische Entscheidungsfindung und den Fokus auf Nachhaltigkeit zur Stärkung von Vertrauen und Innovationskraft umfassen.

Auch auf die Führungsstile hat der Einsatz von KI-Systemen tiefgreifende Auswirkungen. Nach Dr. Piéch werden sich Menschen immer schwerer nur traditionell führen lassen: „Ein offener Arbeitsmodus, Teamarbeit und Kollaboration sind entscheidende Faktoren im Zeitalter der Digitalisierung. Niemand schafft es mehr im Alleingang!“ Dabei kommt der Führungskraft eine neue Rolle zu, denn sie wird die Mitarbeitenden vermehrt als Coach, Mediator, Motivator oder Berater bei der Erreichung ihrer Ziele unterstützen. Aufgrund der hohen Wirksamkeit ist beispielsweise der Situative Führungsstil sehr zu empfehlen. Auf welche Weise KI-Systeme sinnvoll eingesetzt werden können, benennt die KI & Leadership Expertin an mehreren Einsatzfeldern: bei der Erstellung von Business- und Marketingplänen, Präsentationen oder Protokollen; in der Unterstützung der Analyse komplexer Situationen, bei der Entscheidungsfindung, im Risikomanagement sowie bei der Entwicklung von Lösungsstrategien und Innovationspotenzialen. Weitere wichtige Anwendungsfelder sind Recruiting und Onboarding, um geeignete Kandidaten zu identifizieren und den Einarbeitungsprozess zu optimieren. Durch die Erstellung von Wissens- und Kompetenzprofilen können zudem Lern- und Arbeitsumgebungen personalisiert werden, die eine gezielte Personal- und Talententwicklung ermöglicht und sich positiv auf die Mitarbeitermotivation und -bindung auswirkt. Große Erleichterung bringt auch die Übernahme von Routineaufgaben, sodass sich Führungskräfte verstärkt auf strategische und kreative Aufgaben konzentrieren können.

Bei der Implementierung von KI-Tools empfiehlt Dr. Piéch zuvor die Klärung ethischer Grundsatzfragen: „Eine grundlegende Rolle spielt die Entwicklung und Anwendung ethischer Richtlinien für den Einsatz von KI-Systemen. Wie z. B.: Wo wollen wir KI-Systeme in Arbeitsprozesse integrieren und wo grenzen wir uns klar ab? Wie wollen wir in einer KI-gestützten Arbeitswelt zusammenarbeiten? Welche Werte verbinden uns?“ Dazu sind Datensicherheit und der Schutz personenbezogener Daten elementar. Genauso wie eine transparente Kommunikation, auch im Hinblick auf Berufsperspektiven und Veränderungen, die auf die Mitarbeitenden zukommen. Die entsprechenden Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten müssen vor dem Einsatz von KI geklärt werden. „Der Umgang mit KI-Systemen kann auch interkulturell sehr unterschiedlich sein. Für Führungskräfte ist es daher wichtig, die unterschiedlichen Werte und interkulturellen Einstellungen der Mitarbeitenden gleichberechtigt in die hybride Zusammenarbeit einzubeziehen. Und sie natürlich entsprechend zu befähigen“, schließt Dr. Piéch. Die Entwicklung von KI-Kompetenzen und entsprechenden Fach- und Soft Skills ist eine Voraussetzung für die digitale Transformation.

Interessanter Fakt:

Neben ihrer Tätigkeit am DFKI leitet Dr. Sylke Piéch die Akademie für Leadership, KI und Digitaltransfer ADI. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf der Führungskräfteentwicklung, Digital Leadership, Mensch-Roboter-Kollaboration, Digitale Ethik sowie Talentmanagement in Zeiten des digitalen Wandels.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Span-nungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Be-schaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulie-ren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Her-steller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Statt-dessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbe-stände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen ge-meinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in en-ger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wie-derum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Aus-wahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lie-ferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lie-ferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, so-zial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne ge-zahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entspre-chend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichte-ten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemein-sam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Part-nerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zu-sammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Info-tainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim au-tonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vor-standsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Management-karriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldti-mer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Aus-flüge mit ihrem Hund in die Natur.