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12. Jun 2024

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Gesellschaft

Lebensmittel kommt von „Leben“ – mit Eckart Witzigmann

Journalist: Kirsten Schwieger

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Foto: Helge Kirchberger

Warum gesunde Ernährung im Alter wichtig und wie sie auch mit kleinem Geldbeutel möglich ist, verrät Eckart Witzigmann im Interview. Und warum das Wort Sättigungsbeilage sofort seinen Blutdruck erhöht.

Herr Witzigmann, schon Sebastian Kneipp sagte: „Der Weg zur Gesundheit führt durch die Küche, nicht durch die Apotheke“ – können Sie dies, kurz vor Ihrem 83. Geburtstag, bestätigen?

Meine Lebensmaxime ist denkbar simpel: Für Senioren gilt, was auch für den Rest der Bevölkerung gilt: Frisch, leicht und abwechslungsreich.

Warum gewinnt gesunde Ernährung mit zunehmendem Alter an Bedeutung?

Was die Ernährung der älteren Generation etwas komplexer macht, sind all die Krankheiten und kleinen Zipperlein, die sich im Laufe des Lebens gesammelt haben und auf die bei der Ernährung Rücksicht genommen werden muss. Ohne jetzt zu sehr ins Detail gehen zu wollen: Wir müssen bei dem Wort Lebensmittel die erste Worthälfte wieder in den Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns rücken. Unsere Ernährung sollte nicht als Mittel zum satt werden verstanden werden, sondern darin, unser Leben gesund zu gestalten. Darum steigt mein Blutdruck auch sofort und ausdauernd, wenn ich nur das Wort Sättigungsbeilage höre. Die Basis bleibt nach wie vor, frische und ökologisch einwandfreie Produkte mit Kreativität und handwerklichem Können zu einer gesunden Mahlzeit zu entwickeln. Meine Grundsätze und Prinzipien haben sich da nicht verändert, sie sind ja heute aktueller als je zuvor.

Worauf ist besonders zu achten?

Leider wächst die Altersarmut hierzulande, und damit vergrößern sich auch die sozialen Probleme in unserer Gesellschaft. Gutes Essen und gesunde Ernährung dürfen keine Frage des Geldbeutels sein. Es ist mit kleinem Geldbeutel nicht immer leicht, sich gesund und nachhaltig zu ernähren. Selbst kochen ist dabei auch besser, als Fertigprodukte zu konsumieren.

Wie kocht man einfach, gesund und lecker?

Die Frische und die Qualität der Produkte sind für mich die wichtigsten Parameter. Auch die Regionalität ist immer ein Argument, aber auch da muss die Qualität stimmen. Ich habe in diesem Zusammenhang zwei Kochbücher geschrieben zusammen mit dem Verein Lichtblick Seniorenhilfe, der inzwischen mehr als 5.000 armen Rentnern in Bayern und bundesweit in ihrer Not zur Seite steht. Es geht um gutes und gesundes Essen zum kleinen Preis. Einfache Gerichte für jeden Tag, die sich auch Menschen mit kleinem Geldbeutel leisten können. Es ging uns aber auch darum, dass die Rezepte Spaß machen. Sie sollen die Leute animieren, wieder mehr zu kochen – insbesondere jene Menschen, die glauben, dass gute Küche auch teuer sein muss, und es deshalb einfach sein lassen. Meine Mutter z. B. war eine ganz ausgezeichnete Köchin und hat mit schmalen Haushaltsmitteln stets abwechslungsreich und kreativ gekocht.

Was macht gute Lebensmittel aus?

Kriterien wie Regionalität, Saisonaliät, Bio, Nachhaltigkeit etc. Ich habe immer gesagt: Die Entdeckung von Genuss und Wertigkeit beim Essen ist kein Sprint, sondern eher ein niemals endender Marathonlauf. Dazu gehört die Erkenntnis, dass gewisse Produkte nicht unendlich zur Verfügung stehen, ebenso, wie die unbequeme Wahrheit vom fairen Preis für ein fair produziertes Produkt.

Warum waren Ihre „100 Hausrezepte“ ein so großer Erfolg?

Weil dieses Thema seinerzeit stiefmütterlich behandelt worden ist. Auch wenn Tradition immer ein wenig nach Nostalgie und guter alter Zeit klingt, sollte man sich gerade in der Küche auf Bewährtes verlassen. Zukunft braucht Herkunft ist eines meiner Schlagwörter. Und gerade beim Kochen ist das wichtig. Nichts gegen Neuerungen, aber nur etwas gänzlich Neues zu kreieren, weil man alte Zöpfe abschneiden will, ist auf Dauer zu wenig. Und wer alte Wurzeln abschneidet, ist irgendwann heimatlos...

Wie ist es um das Essen in Krankenhäusern und Pflegeheimen bestellt?

Das ist mit Sicherheit ein abendfüllendes Thema, das kann ich Ihnen nicht in wenigen Sätzen beantworten. Sicher geht man schon aus Kostengründen immer den einfachsten Weg. Hinzu kommt die Tatsache, dass Menschen im hohen Lebensalter nur noch schwer ihre Essgewohnheiten ändern. Da wäre viel Aufklärung und Einsatz notwendig und der allseits diskutierte Pflegenotstand macht ja leider nicht in den Küchen halt. Wir haben hier eine sehr komplexe Situation und wenn die dringend notwendige Ampel-Kennzeichnung der Lebensmittel schon zu einer unendlichen Geschichte wird, müssen wir uns über die unausgewogene Ernährung in Seniorenheimen nicht wundern.

Interessanter Fakt:

„Kochen zum kleinen Preis – Ein Lichtblick für jeden Tag!“ Heringssalat mit Reiberdatschi, Kartoffelgulasch oder Kürbis-Paprika-Suppe: Eckart Witzigmann zeigt in dem Kochbuch mit Freunden und Schülern, dass Kochen mit kleinem Geldbeutel „spitze” ist, wenn die Details stimmen. Ein Teil des Verkaufserlöses kommt bedürftigen Rentnern zugute. https://seniorenhilfe-lichtblick.de/leckere-gerichte-zum-kleinen-preis

2. Okt 2025

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Gesellschaft

Lebensmittel sind weit mehr als bloße Konsumgüter – Ein Beitrag von René Püchner, Präsident Lebensmittelverband Deutschland

Sie sind Kultur, Identität, Genuss und Spiegel gesellschaftlicher Vielfalt. Sie vereinen jahrhundertealtes Handwerk mit modernster Technik, globale Lieferketten mit regionalem Bewusstsein, individuelle Lebensstile mit kollektiver Verantwortung. Wer über Lebensmittel spricht, spricht über auch über die Art und Weise, wie wir leben, genießen und gestalten wollen. Unsere aktuellen Umfragedaten zeigen eindrücklich: Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hält Lebensmittelvielfalt für wichtig. Zwischen dem 15. und 18. Juli 2025 befragte das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag unseres Verbandes 1.037 Menschen bundesweit. Das Ergebnis: 76 Prozent beurteilen Vielfalt als „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Besonders deutlich ist die Haltung bei Jüngeren: 94 Prozent der 18- bis 29-Jährigen betonen, wie essenziell Vielfalt für sie ist. Für 81 Prozent ist sie Ausdruck kultureller Vielfalt, für 78 Prozent integraler Bestandteil moderner Ernährung. Und 77 Prozent probieren gern Gerichte aus anderen Kulturen – ein Ausdruck von Neugier und kulinarischer Offenheit. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll: Vielfalt ist kein Luxus, sondern eine Erwartung. Ein Grundbedürfnis in einer dynamischen, global vernetzten Gesellschaft. Die Lebensmittelwirtschaft trägt Verantwortung, diese Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern aktiv zu gestalten – durch Transparenz, Qualität und Innovation. >Der Wunsch nach gezielter Ernährung – sei es vegetarisch, proteinreich, bio oder funktional – wächst. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, beispielweise mit Blick auf Lieferketten, Rückverfolgbarkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Mit Blick auf soziale Teilhabe und Integration richtet sich unser Blick auch auf strukturelle Vielfalt. So hat der Lebensmittelverband gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie das „What the Food“-Forum: Diversity in the Food Industry initiiert, das am 18. September 2025 in Berlin stattfand. Unter anderem unter dem Motto „Migration als Erfolgsfaktor in der Lebensmittelbranche“ beleuchteten wir Beiträge von Menschen mit Migrationsgeschichte, diskutierten Chancengleichheit und kulturelle Sensibilität und zeigten, wie Vielfalt gelebt wird und Mehrwert schafft. Die Herausforderungen, vor denen wir in der Lebensmittelwirtschaft stehen, sind durchaus komplex: Klimawandel und Ressourcenschutz erfordern neue Wege in Produktion, Logistik und Verpackung. Der Wunsch nach gezielter Ernährung – sei es vegetarisch, proteinreich, bio oder funktional – wächst. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, beispielweise mit Blick auf Lieferketten, Rückverfolgbarkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten Transparenz, verlässliche Qualität, klare Informationen. Zugleich wünschen sie Vielfalt, Inspiration und genussvolle Erfahrungen. Diesen hohen Anspruch erfüllen wir. Wir setzen in Produktion, Entwicklung und Kommunikation auf qualitativ hochwertige Zutaten, klimafreundliche Verfahren, ressourcenschonende Verpackungen und kultursensible Ansätze. Als Lebensmittelverband Deutschland verstehen wir uns als Brücke: Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Wir bieten Orientierung durch fundiertes Wissen, begleiten Trends faktenbasiert und fördern den Dialog über die Ernährung von morgen.