3. Nov 2020
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Gesellschaft
Journalist: Hans Peter Wollseifer
Das Handwerk hat seit vielen Jahren einen enormen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften. Handwerkerinnen und Handwerker werden händeringend gesucht. Sie werden gebraucht, gerade bei den Themen, die die Zukunft in unserem Land langfristig bestimmen: Nachhaltigkeit, Mobilität, kreatives Wohnen, gesundes Leben. Jahr für Jahr wachsen hier die Anforderungen. Technisches Know-how, manuelles Können, Kreativität und auch Unternehmergeist sind Erfolgsfaktoren, und das in allen 130 Handwerksberufen.
Aus- und Weiterbildung im Handwerk heißt deshalb: Lernen für die Zukunft. Stillstand gibt es nicht. Längst geht es nicht mehr darum, den einen Beruf fürs Leben zu finden, sondern sich immer neu nach vorne zu orientieren und neue Entwicklungen im einstmals gelernten Beruf mitzugehen. Welche Spezialisierung bringt mich weiter? Wo will ich als nächstes hin? Was an neuem Wissen muss ich mir aneignen?
In Zeiten des rasanten Wandels profitiert unser Nach-wuchs dabei davon, dass eine handwerkliche Ausbildung eine solide Basis mit vielfältigen Anschluss- und Aufstiegsmöglichkeiten bietet, seien es Fähigkeiten in Gestaltung, Technik oder im kaufmännischen Bereich, oder Führungsqualifikationen, die bis zum Chef im eigenen Unternehmen befähigen können. Leistungsstarke finden zudem Short-Tracks wie das BerufsAbitur und duale oder triale Studiengänge, bei denen neben der Hochschulreife gleich auch der Gesellenbrief, die Meisterqualifikation oder der Bachelor erworben wird.
Das Besondere an einer Ausbildung im Handwerk: Praxis und Theorie werden von Tag eins an ganzheitlich vermittelt. Zudem sind die Lernangebote individueller, flexibler und zukunftsorientierter denn je. Ausgerechnet die Einschränkung des Präsenzunterrichts durch die Corona-Pandemie hat diesem Erfolgsmodell noch einen kräftigen Digitalisierungsschub verliehen. Von heute auf morgen wurden Webseminare, WhatsApp-Sprechstunden und Beratungs- und Informationsangebote ins Netz verlagert. An die positiven Erfahrungen der verstärkten Digitalisierung gilt es anzuknüpfen, auch dann, wenn Unterricht und Abschlussprüfungen unter Einhaltung der Hygieneregeln wieder analog abgehalten werden. Wir brauchen eine Offensive, die die Teilhabe an Wissen und Aufstieg durch duale Bildung ins digitale Zeitalter transportiert. Profitieren werden – so viel steht fest – nicht nur die, die wegen der Betreuung von Kindern, der Pflege von Angehörigen oder langer Fahrwege schwerer am Präsenzunterricht teilnehmen könnten. Wir rücken Weiterbildung für alle in den Lebensalltag.
Klar geworden ist allerdings auch, dass Deutschland für seine beruflich Qualifizierten mehr tun kann und muss. Die duale Ausbildung junger Menschen darf nicht länger in der zweiten Reihe stehen. Das fängt in der Schule an. Mit der Förderung handwerklicher Fähigkeiten, mathematisch-technischer Fächer sowie der Berufsorientierung auch in Gymnasien. Wir brauchen umfassende Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur – einschließlich der Berufsschulen und der Bildungszentren. Schließlich muss es für Studierende und beruflich Qualifizierte gleichwertige Bedingungen geben, damit sie ihren eingeschlagenen Bildungsweg unabhängig verfolgen können. Vor allem dürfen wir die attraktiven Entwicklungswege der dualen Bildung nicht länger verstecken, wir müssen die Vielfalt der Möglichkeiten zeigen. Das erfordert auch ein Umdenken in der Gesellschaft und das Aufräumen mit alten Klischees.