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28. Mär 2023

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Wirtschaft

Mammutaufgabe für Robert Habeck

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Nikola Johnny Mirkovic/unsplash

Mit einem Paket von Maßnahmen will der grüne Minister für Klimaschutz und Wirtschaft die Wende hin zu den Erneuerbaren Energien schaffen.

Mit der Bildung der Ampelregierung nach der letzten Bundestagswahl wurde ein neues Superministerium geschaffen: das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Das Ziel der Regierung mit diesem großen Haus und seinen umfassenden Kompetenzen ist es, zwei wichtige Politikbereiche - die sich häufig gegenüberstehen - zu verbinden: den Klimaschutz und die Wirtschaftspolitik. Die Klimapolitik soll durch das neue Ministerium den Stellenwert bekommen, den sie nach Meinung von Klimaschützern und Kritikern der vorherigen Bundesregierung nicht hatte. Zu diesen Kritikern gehörten auch die Grünen, die mit Robert Habeck inzwischen selbst den für den Klimaschutz zuständigen Minister stellen.

Schon die Vorgängerregierung aus Union und SPD hatte ein Paket mit Maßnahmen für die Energiewende und den Klimaschutz verabschiedet. Nach einer erfolgreichen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht trug Karlsruhe der früheren Regierung auf, die Maßnahmen zu verschärfen. Jetzt lautet das Ziel mit Blick auf die Erneuerbaren Energien, dass ihr Anteil bis 2030 deutschlandweit bei 80 Prozent liegen soll. 2045 sollen es schließlich ganze 100 Prozent sein.

Das ist ein ambitioniertes Vorhaben angesichts der Tatsache, dass der Anteil hierzulande Ende vergangenen Jahres bei gerade einmal knapp 45 Prozent lag. Gleichwohl lobt Minister Habeck die bereits gemachten Fortschritte. Deutschland habe inzwischen das „Tal der Tränen” durchschritten, verkündete der Grünen-Politiker kürzlich. „Wir sind noch lange nicht durch. Aber wir haben große Gesetze gemacht, etliche große und kleine Stellschrauben gedreht, um Verfahren zu vereinfachen, Bürokratie schrittweise hinter uns zu lassen und schneller zu werden. Überall haben wir Bremsen gelöst.“ 

Weite Teile der Mobilität, der Wärmeversorgung und Industrie würden künftig mit Strom geführt werden. Und die Hauptlast der Erzeugung werde durch Wind- und Solarenergie getragen.

Das ist auch dringend nötig, denn erschwerend kommt hinzu, dass der Bedarf an Strom in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stark steigen wird. „Von 550 Terawattstunden heute rechnen wir mit einem Anstieg wegen E-Mobilität und Wärmepumpen vor allem bis auf 700/750 Terawattstunden 2030, und das können dann 2045 gut und gerne 1000 Terawattstunden sein“, sagte Habeck im Februar während der Auftaktsitzung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS). Weite Teile der Mobilität, der Wärmeversorgung und Industrie würden künftig mit Strom geführt werden. Und die Hauptlast der Erzeugung werde durch Wind- und Solarenergie getragen.

Es ist also nur konsequent, wenn vor diesem Hintergrund die Erneuerbaren Energien jetzt von der Ampel-Regierung als „überragend öffentliches Interesse“ eingestuft werden. Das bedeutet, dass sie in Planungsprozessen Vorrang vor anderen abzuwägenden Interessen haben. Als einen wichtigen Schritt hat die Bundesregierung im April 2022 mit dem sogenannten Osterpaket die nach ihren Angaben größte energiepolitische Gesetzesnovelle seit Jahrzehnten verabschiedet. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 (EEG) werde erstmals konsequent auf das Erreichen des 1,5-Grad-Pfades nach dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgerichtet, lobt sich Habecks Ministerium selbst. Das EEG legt dabei höhere Ausbauziele für Wind- und Solarenergie als bisher fest und es gebe der Erneuerbaren Energie einen gesetzlichen Vorrang. 

Um den Anstieg der Erneuerbaren wie geplant hinzubekommen, müssen Wind- und Solarenergie dreimal so schnell ausgebaut werden, wie bisher. Geplant ist unter anderem, die Windenergie auf See bis 2030 auf mindestens 30 Gigawatt (GW) steigen zu lassen. Fünf Jahre später sollen es 35 GW sein und 2045 mindestes 70 GW. Die Ziele für die Windenergie an Land sind sogar noch größer. Geplant ist, dass die Leistung schrittweise um jährlich zehn GW wachsen soll. Bis 2030 sollen auf diese Weise 115 GW erreicht sein. Mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ verpflichtet der Bund die Länder, zwei Prozent ihrer Fläche für den Bau von Windenergieanlagen zur Verfügung zu stellen – das ist vier Mal so viel, wie nach Angaben Berlins bislang faktisch zur Verfügung standen. Die Ausbauraten bei Solaranlagen sollen um 22 GW pro Jahr steigen und 2030 bei 215 GW liegen.

Habeck weiß, dass sein Ministerium diese Ziele nur erreichen kann, wenn es eine Reihe von weiteren Maßnahmen umsetzt. Daher werden vor allem die komplizierten und zeitaufwendigen Planungs- und Genehmigungsverfahren, die den Ausbau verzögern, entrümpelt und beschleunigt. Als wichtiger Punkt wird gesehen, dass die Kommunen mehr am Ertrag beteiligt werden sollen. Auch das Engagement von Bürgerenergiegesellschaften wird erleichtert. Nicht zuletzt muss zudem der Ausbau des Stromnetzes beschleunigt werden, denn ohne diesen schnelleren Ausbau ist die Energiewende nicht umsetzbar.

Das Ziel der Regierung ist ambitioniert: Bis 2045 soll Deutschland eines der ersten klimaneutralen Länder der Welt werden. Das bedeutet nach den Worten Habecks: „Wir müssen Produktionskapazitäten für Erneuerbare Energien in Deutschland und Europa stärken.“ Doch einen Punkt betont der Minister auch: Die Versorgung von Wirtschaft und Bürgern mit Strom muss zu jeder Zeit gewährleistet und bezahlbar sein.

Das Ausbauziel für Windenergie auf See steigt bis 2030 auf mindestens 30 Gigawatt (GW), bis 2035 sollen mindestens 40 GW und bis 2045 mindestens 70 Gigawatt erreicht werden. Um das zu erreichen, hat das BMWK eine Offshore-Realisierungsvereinbarung mit den norddeutschen Bundesländern und NRW sowie den Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz, Amprion und TenneT geschlossen.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.